Pünktlich zur Mittagsstunde begann die Demonstration des diesjährigen Pride-Festivals in Zürich. Laute Trommelwirbel läuteten die politischen Ansprachen von bekannten Gesichtern aus der LGBT+-Szene ein: Jessica Zuber, Anna Rosenwasser, Florian Vock. Mitten in der Menge dabei: Homo-Ehe-Gegner Christian Ineichen (CVP).
Dabei hatte der Luzerner CVP-Präsident Anfang Mai noch mit folgenden Worten auf Twitter einen Shitstorm ausgelöst: «Mann und Frau geht, Frau und Frau geht irgendwie, Mann und Mann – geht nicht!» Die LGBT+-Community kritisierte ihn für seine homophobe Aussage.
Einladung angenommen und gekommen
Die Pride-Politikverantwortliche Anne-Sophie Morand (FDP) nutzte die Chance zum Dialog: Prompt lud sie ihren Opponenten ein, dem Demonstrationszug am Samstag beizuwohnen. Und Ineichen kam. «Es war für mich sonnenklar, die Einladung anzunehmen!», sagte der CVP-Politiker zu BLICK.
Er findet: Offene Diskussionen sind in der Politik wichtig. «Auch wenn jemand absolut anderer Meinung ist, muss man wenigstens einander anhören.» Ausserdem habe er nichts gegen Homosexuelle – bei der Pride lief er mit Befürwortern der Homo-Ehe aus seiner eigenen Partei im Pulk.
Später während des Umzugs stiess Ineichen gar auf seinen schwulen Cousin. Zahlreiche Debatten folgten auf dem Weg: mit Politikern aus anderen Fraktionen, Parteikollegen, Regenbogenfamilien mit Kindern.
Ineichen ist überrascht von der Pride-Atmosphäre
Genau die Gespräche, die Ineichen suchte. «Die Diskussionen waren sehr positiv, obwohl ich mit meiner Meinung eine Minderheit vertrete. Der Umzug und die Menschen sind sehr bunt und friedlich», kommentierte Ineichen seine ersten Eindrücke.
Rund sieben Stunden verbrachte der CVP-Politiker beim Pride-Festival. Reicht das, um einen Gegner umzustimmen? Fast. «Ich bin pro Ehe für alle», sagt er danach zu BLICK.
Auch Anne-Sophie Morand (FDP) zeigt sich zufrieden: «Ich bin Christian dankbar, dass er erschienen ist.» Ineichen und die Politikverantwortliche führen eine letzte Debatte.
«Wir sehen uns wieder, versprochen»
Das Fazit: Christian Ineichen ist kein absoluter Gegner der «Ehe für alle» mehr. Bedenken hat er nur bezüglich der Adoptionsrechte. Gegenargumente kann er jedoch Morand keine liefern – und verspricht ein Wiedersehen. Er sei mit der Idee einfach noch zu «unvertraut», gibt er zu. Und das kann sich schliesslich noch ändern.