Hirnforschung
Forscher veröffentlichen erste Simulation eines Stück Gehirns

Das internationale «Blue Brain Project» hat erstmals eine Gehirnsimulation veröffentlicht. Die Forscher unter Leitung der ETH Lausanne (EPFL) haben einen winzigen Würfel der Gehirnrinde mit 30'000 Hirnzellen und 40 Millionen Kontakten mit Supercomputern nachgebildet.
Publiziert: 08.10.2015 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:41 Uhr

Die Resultate stimmten mit dem Verhalten von Neuronen überein, das in diversen Experimenten am Gehirn beobachtet worden war, teilte die EPFL am Donnerstag mit. Die Resultate werden im Fachjournal «Cell» vorgestellt. Das Team hat sämtliche experimentellen Daten und die digitale Rekonstruktion auf dem Internet frei zugänglich gemacht.

Die Simulation ist eine detaillierte Computerrepräsentation von etwa einem Drittel Kubikmillimeter Gehirngewebe. Die Wissenschaftler simulierten das elektrische Verhalten dieses virtuellen Gewebes mit Supercomputern wie dem Blue Brain IV am Schweizerischen Supercomputing-Zentrum CSCS in Lugano.

«Die Studie belegt, dass es möglich ist, Gehirngewebe digital zu rekonstruieren und simulieren», schrieb die EPFL. Beteiligt waren 82 Forschende aus der Schweiz und sieben weiteren Nationen. Das vor zehn Jahren initiierte «Blue Brain Project» wird von der EPFL und dem Bund finanziert. Es ist der Simulationsteil des eine Milliarde Euro teuren «Human Brain Projects».

Die Simulation erforderte zehntausende Experimente an Neuronen und Synapsen - den Kontaktstellen der Neuronen, die elektrische Impulse übertragen - von jungen Ratten. Mit diesen Versuchen identifizierten die Forscher die Grundregeln, wie Neuronen im Mikroschaltkreis angeordnet und über Synapsen verbunden sind.

Sobald diese Rekonstruktion komplett war, simulierten die Forscher das Verhalten der Hirnzellen unter unterschiedlichen Bedingungen im Supercomputer. Dabei kamen erste, erstaunliche Resultate zustande, etwa dass die Anpassung eines einzigen Faktors wie dem Fluss von Kalzium-Ionen in den Synapsen bestimmte Aktivitätsmuster hervorbrachte.

Bestimmte Simulationen führten nämlich zu Stössen von synchronisierter neuronaler Aktivität, ähnlich wie sie im Schlaf beobachtet werden. Das Senken der Kalziumniveaus in der Simulation führte zu asynchroner Aktivität, wie sie bei wachen Tieren auftritt. So etwas liesse sich nicht an einer einzigen Hirnzelle beobachten, betonen die Forscher.

Es müsse demnach zelluläre Mechanismen geben, die den Neuronenschaltkreis von einem Zustand zum anderen umschalten können, um die Rechenleistung für bestimmte Aufgaben anzupassen, erklären die Forscher. Dies eröffne neue Möglichkeiten, Zustände wie Wachen oder Schläfrigkeit im gesunden Gehirn, aber auch bei Störungen wie etwa Epilepsie oder anderen Gehirnerkrankungen zu erforschen.

«Die Rekonstruktion ist ein erster Entwurf, sie ist nicht vollständig und noch keine perfekte digitale Nachbildung des biologischen Gewebes», liess sich Studienleiter Henry Markram von der EPFL zitieren. So fehlten wichtige Aspekte des Gehirns wie Strukturzellen, Blutgefässe oder Anpassungsstrategien.

«Die Arbeit, das Gehirn zu rekonstruieren und zu simulieren, ist eine im grossem Massstab und muss in grossen Kollaborationen stattfinden», sagte Markram. «Die Arbeit hat eben erst begonnen.»

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