Er ist der bekannteste Kinderherzchirurg des Landes, 2009 wurde René Prêtre (62) gar zum Schweizer des Jahres gewählt. Zwischen 2001 und 2012 arbeitete der gebürtige Jurassier am Zürcher Kinderspital, dem grössten Zentrum für Kinderchirurgie in der Schweiz. Heute leitet er die Klinik für Herz- und Gefässchirurgie am Universitätsspital Lausanne.
Seit letztem Herbst ist Prêtre nun aber zurück an seiner einstigen Wirkungsstätte – jedenfalls immer montags. Und das kam so: Im Herbst 2018 eskalierte am Zürcher Kinderspital ein lange schwelender Konflikt. Prêtres Nachfolger musste das Spital Knall auf Fall verlassen. Bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger installiert ist, springt René Prêtre in die Bresche. Durchschnittlich ein bis zwei Eingriffe pro Woche führt er in Zürich durch.
Siebenstündige Operation bei einem Säugling
Jeden Montag reist er frühmorgens von seinem Wohnort Lausanne nach Zürich und operiert dort die schwierigen, aber planbaren Fälle. Bei Notfällen kommt er auch kurzfristig zum Einsatz, wird dann auch mal per Helikopter eingeflogen.
So erreichte ihn etwa am Freitag vor zwei Wochen ein Notruf aus Zürich: Da gebe es ein Spenderherz, das für einen fünfmonatigen Säugling infrage komme. Damit er das Organ von der Grösse einer Traube mit allen Gefässen vernähen kann, arbeitet der Chirurg mit einer Lupe. Sieben Stunden, dann ist es geschafft: Das Blut fliesst wieder durch den Herzmuskel und das verpflanzte Organ beginnt zu pumpen. «Es ist immer ein magischer Moment, wenn ein Herz wieder anfängt zu schlagen, vor allem nach einer Transplantation», sagt René Prêtre.
Doch Prêtre operiert in Zürich nicht allein Kinderherzen. Er versucht ebenso, seinen Ruf zu retten.
Die Romandie ist bereits einen Schritt weiter
Mitte Mai musste sich das Kinderspital Zürich rechtfertigen, weil die Sterblichkeit bei einer speziellen Operation am Kinderherz während Jahren höher lag als in Kliniken im Ausland. Die schlechten Zahlen stammen unter anderem aus der Zeit, als Prêtre in Zürich angestellt war. Die Sterblichkeit beim sogenannten hypoplastischen Linksherzsyndrom lag in Zürich bei 39 Prozent – und damit doppelt so hoch wie in ausländischen Kliniken.
Was sagt René Prêtre zu diesem Befund? Die Erfahrung spiele eine wichtige Rolle. «Wenn ein Herzchirurg mit seinem Team nicht mindestens eine solche Operation pro Monat durchführen können, wird er nie die notwendige Routine erhalten.» Prêtre plädiert deshalb dafür, die Kinderherzchirurgie in spezialisierten Zentren zusammenzulegen. «Länder wie Schweden haben es vorgemacht: Um die Qualität bei den Eingriffen zu erhöhen, haben sie die Kinderchirurgie zentralisiert.»
Im Vergleich zur Deutschschweiz ist man in der Romandie bereits einen Schritt weiter. Hier wurden die Teams der Kinderherzchirurgie von Genf und Lausanne im Centre Romand zusammengelegt. Eine Zentralisierung zugunsten der Qualität sei jedoch politisch schwierig. Denn mit der Herzchirurgie sei auch immer viel Prestige verbunden. Prêtre: «Wenn ein Spital diese schwierigen Operationen durchführen kann, gibt dies den Leuten das Gefühl, dass das medizinische Angebot dort sehr gut ist.»