Herzchirurg Maisano und die Hochschule
Der Abgang endet im Streit

An der Universität Zürich endet die Affäre um Francesco Maisano so, wie sie am Unispital begonnen hatte: Vergiftet. Am Chefarzt wird ein Exempel statuiert.
Publiziert: 14.03.2021 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2021 um 19:46 Uhr
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Hauptgebäude der Universität Zürich: Das Kapitel Maisano ist Vergangenheit.
Foto: Keystone
Reza Rafi

Die «Tages-An­zeiger»-Titelstory um Francesco Maisano (54) hätte eine unter vielen werden können: Ein namentlich nicht genannter Chefarzt am Universitätsspital Zürich (USZ) verantwortet bei der Dokumen­tation einzelner Eingriffe ein Durcheinander, in der Rubrik ­eines Fachmagazins blieb ein Malheur – ein gebrochener Draht – unerwähnt, und in manchen Fällen ging die Offenlegung seiner Geschäftsinteressen unter. Das USZ bestätigt den adminis­trativen Missstand, nimmt den Mediziner in die Pflicht und gelobt Besserung. Zwei, drei Nachzüge und die Sache wäre erledigt.

Doch stattdessen artete das Ganze zu einem Drama aus, das bei der Universität Zürich – vorerst – zu einem bitteren Ende kommt: Nun bestätigt auch noch die Hochschule hinlänglich besprochene Vorwürfe, Maisano widerspricht vehement.

Keine unwesentliche Rolle spielt bei der Eskalation der Geschichte, wo das Dossier an der Werdstrasse gelandet war: Nicht auf dem Tisch einer gemütlichen Edelfeder, sondern bei der humorlosesten Gattung der Branche – den Investigativjournalisten.

Dort sitzen preisgekrönte Enthüller, recherchierende Heiss­sporne, die lieber nackt vor den Hauptbahnhof stehen als eine ­eigene Story relativieren würden. Verbrecherjagd ist angesagt.

Vorwurf widerlegt

So kam es, dass Maisanos Name durch mehr als 60 «Tagi»-Texte geschleppt und der bis heute nie bewiesene und von sämtlichen Gutachtern widerlegte Vorwurf der Patientengefährdung in über einem Dutzend Artikel der Zeitung bewirtschaftet wurde. Im Eifer ging wohl gelegentlich vergessen, dass es sich auch bei einem hohen Funktionsträger nur um einen Menschen handelt.

Zur Erhitzung beigetragen hat auch der Informant, den eine persönliche Geschichte mit seinem einstigen Förderer Maisano verbindet: Der leitende Arzt A.P.*, laut einer unabhängigen Untersuchung eine «stark ­polarisierende Persönlichkeit», warf zusätzlich zur erwähnten Kritik noch etliche weitere, teils haarsträubende Anschuldigungen gegen den Ita­liener in die Runde. Erst die vom Krankenhaus beauftragte Anwaltskanzlei Walder Wyss entkräftete diese; weshalb eine Debatte entbrannt ist, ob es sich bei A.P. nun um einen Whistleblower, einen Hinweisgeber, einen Denun­zianten oder gar um ­einen Rufmörder handelt.

Das Kesseltreiben führte zur Kündigung Maisanos und seines Widersachers beim Uni­spital sowie zum Rücktritt von Spitalratspräsident Martin Waser.

Der ehemalige Leiter der USZ-Kardiologie, Thomas Lüscher, fand in einem erhellenden Gespräch mit dem Onlinemagazin «Republik» drastische Worte: Das Krisenmanagement der Spitalleitung sei «katastrophal» gewesen. Dazu hat eine über­parteiliche Allianz im Zürcher Kantonsrat von SP bis SVP in ­einem beispiellosen Akt die «zunehmend einseitige Bericht­erstattung» angegriffen.

Nun werden anhand von 75 Empfehlungen der parlamenta­rischen Gesundheitskommission Reformen eingeleitet – zumindest das können sich die gescholtenen Tamedia-Redaktoren ans Revers heften.

Allerdings war der Spiess­rutenlauf für Maisano damit noch nicht zu Ende. Dass mit ­seinem Abgang als Herzklinik­leiter beim Spital auch seine Anstellung als ­ordentlicher Pro­fessor an der Universität Zürich endet, ist eigentlich Formsache.

Doch auch der Austritt aus der Alma Mater ist am Freitag nicht ohne Misstöne über die Bühne gegangen.

Gestützt auf zwei Gutachten über die wissenschaftliche Lauterkeit wurden erneut die Mai­sano vorgeworfenen Nachlässigkeiten ausgebreitet – wenige Wochen, nachdem die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Urkundenfälschung eingestellt hatte und die Leitung der Schwesterinstitution USZ mit abgesägten Hosen dastand.

Maisano wehrt sich

Und wieder hält der Chirurg mit aller Deutlichkeit dagegen. Der mittlerweile zur Berühmtheit gelangte Drahtbruch sei nicht in einem Forschungsartikel weggelassen worden, sondern in einer knapp beschriebenen Bilderrubrik in einem Fachjournal. Und dass eine angeblich verschwiegene Reanimation einer Patientin gar nie stattgefunden habe, machte die «NZZ» bereits letzten Juli publik.

Weiter hält die Uni Maisano mangelnde Deklaration von Nebentätigkeiten vor – kurioser­weise störte sich die Hochschule nie da­ran, die 10 Prozent der Nebeneinnahmen Maisanos einzukassieren, deren ungenügende Offenlegung sie ihm jetzt vorwirft.

Offensichtlich wird an Mai­sano ein Exempel statuiert – was zu eigenartigen Verzerrungen führt: USZ-Chefkardiologe und Maisano-Kontrahent Frank Ruschitzka ist Mitautor einer Studie, die mit falschen Schlüssen über die Wirksamkeit von Hydroxy­chloroquin gegen Covid-19 die ganze Welt bis hin zu US-Präsident Donald Trump an der Nase he­rumführte. Ruschitzka kam mit 30 Stunden Sozialdienst davon und bleibt in Amt und Würden.

Maisanos Nachfolger als Chef der Herzklinik, Paul R. Vogt, hat mehrfach angekündigt, für Ruhe zu sorgen. Ob ihm dies gelingt? Zwei der «Tagi»-Autoren referierten im Januar an der Journalistenschule MAZ über ihr Handwerk («Medizinalthemen – eine Goldgrube»). Im Programm hiess es: «Das Tamedia-Recherchedesk hat aufschlussreiche Quellen gefunden.»

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