Henri Steiner (78) leidet an einem bösartigem Prostata-Tumor. Seine niederschmetternde Diagnose hat der Rentner aus Rüti ZH vor eineinhalb Jahren bekommen. «Die Ärzte hatten den Krebs bei einer Routineuntersuchung entdeckt – seither habe ich Angst, was auf mich zukommen wird», sagt Steiner.
Um seine Leiden zu behandeln, fordert er: «Gebt mir endlich Cannabis!» Steiner hofft in erster Linie, dass das Cannabis seine Krebszellen abtöten wird. Ein beliebtes, aber sehr umstrittenes Heilsversprechen aus einschlägigen Internet-Foren. Fatal: Steiner will deswegen gar auf eine Chemotherapie und Bestrahlung verzichten und die Krankheit nur mit Cannabis behandeln. Dieser Entscheid könnte sein Todesurteil sein.
Der Grund dafür: Als gezeichnetes Opfer der administrativen Versorgung in den 60er-Jahren hegt der Rentner ein tiefes Misstrauen gegenüber Empfehlungen von Ärzten. Deren Appelle, seinen Krebs unbedingt schulmedizinisch behandeln zu lassen, ignoriert er.
Steiner bekommt kein Cannabis
Das Cannabis wird der Rentner dennoch kaum bekommen. Ärzte dürfen Cannabis-Medikamente nämlich nicht einfach so an Krebspatienten verschreiben. Dafür ist eine Sonderbewilligung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) nötig. Ein bürokratisches Mammut-Verfahren.
Bei der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis dreht sich alles um den Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Er hat eine berauschende Wirkung und ist in fast allen Ländern verboten.
Das Cannabidiol (CBD) indes ist ein weiterer Wirkstoff im Hanf – und praktisch gleich aufgebaut wie das THC. Nur dass CBD eben nicht berauschend wirkt und darum auch nicht unters Betäubungsmittelgesetz fällt.
Sowohl THC als auch CBD sollen eine positive medizinische Wirkung haben. CBD wirkt beruhigend, entspannend und angstlösend. THC vor allem schmerzlindernd und appetitanregend. Der Wirkstoff hat aber auch Schattenseiten: «Durch die Wirkung des THC können der Antrieb, die Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Lernfähigkeit verringert werden», so das Bundesamt für Gesundheit. Zudem bestehen Risiken für psychische, soziale und auch körperliche Probleme.
Bei der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis dreht sich alles um den Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Er hat eine berauschende Wirkung und ist in fast allen Ländern verboten.
Das Cannabidiol (CBD) indes ist ein weiterer Wirkstoff im Hanf – und praktisch gleich aufgebaut wie das THC. Nur dass CBD eben nicht berauschend wirkt und darum auch nicht unters Betäubungsmittelgesetz fällt.
Sowohl THC als auch CBD sollen eine positive medizinische Wirkung haben. CBD wirkt beruhigend, entspannend und angstlösend. THC vor allem schmerzlindernd und appetitanregend. Der Wirkstoff hat aber auch Schattenseiten: «Durch die Wirkung des THC können der Antrieb, die Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Lernfähigkeit verringert werden», so das Bundesamt für Gesundheit. Zudem bestehen Risiken für psychische, soziale und auch körperliche Probleme.
Steiner kann das nicht verstehen. «In Ländern wie Deutschland, aber auch der Niederlande sind solche Medikamente längst zugelassen. Wieso nicht auch hier?»
Rudolf Brenneisen, der führende Kopf in der Schweizer Cannabis-Forschung, zeigt einerseits Verständnis für Steiner. Das Verbot der Abgabe von Cannabis-Medikamenten sei längst überholt. Brenneisen spricht da vor allem die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis an.
Kein Wunderkraut
Gleichzeitig warnt er davor, Cannabis zum Wunderkraut hochzustilisieren, wie Steiner das macht: «Cannabis wird immer auch überschätzt. Ja, es gibt viele Anwendungsbereiche, bei denen Patienten gute Erfahrungen gemacht haben.» Aber heute könne man nicht pauschal sagen, dass Cannabis gar Krebszellen töte. «Das wäre gefährlich», sagt Brenneisen.
Klar sei aber auch: Es gebe viele positive Erfahrungen von Krebspatienten mit Cannabis. Die dürfe man nicht einfach beiseitewischen, bloss weil der Forschungsstand hier noch hinterherhinkt. «Viele Patienten wissen, dass ihnen Cannabis bei ihren Beschwerden hilft – doch weil es zu wenige klinische Studien gibt, wollen viele Ärzte die Verantwortung fürs Verschreiben eines Cannabis-Medikaments nicht tragen.»
Cannabis für Pharmaindustrie nicht spannend genug
Und warum gibt es kaum belastbare Cannabis-Studien? Brenneisens Erklärung klingt wie eine beliebte Verschwörungstheorie: «Grosse Studien an mehreren Tausend Patienten können nicht allein an den Universitäten durchgeführt werden – sie müssen finanziert werden von der Pharmaindustrie», sagt er. Doch für die Pharmakonzerne stelle sich die Frage, wie interessant das ist: «Denn das natürlich vorkommende THC und Cannabidiol im Hanf kann nicht patentiert werden.»
Die Industrie verhindere zwar nicht die Zulassung von Cannabis-Medikamenten, «doch geniesst deren Entwicklung auch keine grosse Priorität», sagt Brenneisen. Eine Aussage, die auch das Bundesamt für Gesundheit stützt.
Cannabis ist in der Schweiz als verbotenes Betäubungsmittel eingestuft. Mit ein Grund, warum es nur wenige Studien gibt, welche die Wirksamkeit des Krauts bei der Behandlung diverser Krankheiten belegen.
Politisch ist indes einiges in Bewegung – seit einer Motion der ehemaligen Patientenschützerin und Nationalrätin Margrit Kessler (GLP). 2014 forderte sie den Bundesrat auf, zu prüfen, ob und unter welchen Umständen zu medizinischen Zwecken natürliches Cannabis verwendet werden kann.
Ein erstes Forschungsprojekt mit legalem Verkauf von Cannabis in Apotheken hatte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) im November 2017 aber nicht bewilligt. Das BAG kam zum Schluss, dass das geltende Betäubungsmittelgesetz dies nicht zulasse. Es müsste mit einem sogenannten Experimentierartikel ergänzt werden.
Bis zum Sommer 2019 soll nun die Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes in die Vernehmlassung gehen – das kündigte Bundesrat Alain Berset (SP) im Februar an. National- und Ständerat sowie die grosse Mehrheit der Kantone sprachen sich positiv für diese Bestrebungen aus.
Gestern machte die Stadt Bern zudem publik, parallel auch eine neue Studie zu entwickeln, die im Rahmen des geltenden Rechts und ohne Ausnahmebewilligung umsetzbar sei. Die Studie umfasst eine Onlineumfrage bei 5000 zufällig ausgewählten Personen. Erste Resultate sollen voraussichtlich Ende Jahr vorlegen.
Flavio Razzino
Cannabis ist in der Schweiz als verbotenes Betäubungsmittel eingestuft. Mit ein Grund, warum es nur wenige Studien gibt, welche die Wirksamkeit des Krauts bei der Behandlung diverser Krankheiten belegen.
Politisch ist indes einiges in Bewegung – seit einer Motion der ehemaligen Patientenschützerin und Nationalrätin Margrit Kessler (GLP). 2014 forderte sie den Bundesrat auf, zu prüfen, ob und unter welchen Umständen zu medizinischen Zwecken natürliches Cannabis verwendet werden kann.
Ein erstes Forschungsprojekt mit legalem Verkauf von Cannabis in Apotheken hatte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) im November 2017 aber nicht bewilligt. Das BAG kam zum Schluss, dass das geltende Betäubungsmittelgesetz dies nicht zulasse. Es müsste mit einem sogenannten Experimentierartikel ergänzt werden.
Bis zum Sommer 2019 soll nun die Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes in die Vernehmlassung gehen – das kündigte Bundesrat Alain Berset (SP) im Februar an. National- und Ständerat sowie die grosse Mehrheit der Kantone sprachen sich positiv für diese Bestrebungen aus.
Gestern machte die Stadt Bern zudem publik, parallel auch eine neue Studie zu entwickeln, die im Rahmen des geltenden Rechts und ohne Ausnahmebewilligung umsetzbar sei. Die Studie umfasst eine Onlineumfrage bei 5000 zufällig ausgewählten Personen. Erste Resultate sollen voraussichtlich Ende Jahr vorlegen.
Flavio Razzino
Interpharma, der Branchenverband der Pharmaindustrie, stellt das dann auch gar nicht in Abrede. «Die Entstehung eines neuen Medikaments dauert lange und ist teuer. Deshalb sind Forschungs- und Investitionsanreize wie der Patent- und Unterlagenschutz zentral, da sich sonst die hohen Investitionen für Forschung und Entwicklung finanziell nicht lohnen», so Verbandssprecherin Jessica Wüthrich.
Hohe Risiken für verzweifelte Patienten
Die heute so restriktive Regulierung von Cannabis-Medizin hat fatale Folgen für Tausende Patienten. «Sie besorgen sich das Cannabis notgedrungen illegal – und setzen sich damit einem gesundheitlichen Risiko aus, weil es keine Qualitätskontrolle für das Cannabis der Strasse gibt», sagt Brenneisen.
Auch Steiner müsste sich das Kraut illegal beschaffen. Davor schreckt der Rentner aber zurück. «Ich will nicht kiffen. Vielmehr hoffe ich, dass ich den Tag noch erleben werde, wo man sich in der Apotheke ganz legal ein Cannabis-Medikament besorgen kann», sagt Steiner.