Herr Braun, wie ist die Stimmung bei Ihnen im Ferienhaus Chasa Muntanella?
Die Stimmung ist perfekt. Die jungen Männer und ich haben heute Morgen gemeinsam Frühstück gegessen. Anschliessend haben sie damit begonnen, das Haus zu putzen. So war es abgemacht.
Hat sich jemand geweigert?
Überhaupt nicht. Alle 14 haben mit angepackt, niemand hat sich beschwert. Die Männer haben sich Staubsauger, Putzlappen und Besen geschnappt und losgelegt. Auch die Toiletten haben sie geputzt. Drückeberger haben bei mir keine Chance.
Das hört sich schon fast nach idyllischer Ferienlager-Atmosphäre an. Am Montag war die Situation völlig anders. Die Männer wollten nicht einmal das Haus betreten.
Mich hat das Verhalten der Männer nicht überrascht. Sie befanden sich plötzlich in einer völlig neuen Situation. Inzwischen ist das Schnee von gestern.
Mussten Sie ein Machtwort sprechen? Schliesslich hatten sie für die Neuankömmlinge extra einen Willkommens-Apéro vorbereitet, den die Männer einfach ignoriert haben.
Nein, das wäre der falsche Weg. Ich bin gar nicht darauf eingegangen. Und dass sie meinen Apéro nicht gewürdigt haben, nehme ich nicht persönlich.
Was geschah, nachdem die Männer das Haus bezogen hatten?
Am Dienstag habe ich sie erst einmal in Ruhe gelassen. Sie brauchten Zeit, um den Zügelstress zu verarbeiten. Gestern Morgen haben wir uns dann im Esssaal zusammengesetzt und gemeinsam den Tagesplan besprochen.
Wie sieht dieser Tagesplan aus?
Um 8 Uhr gibt es bei uns Frühstück, danach wir das komplette Haus von unten bis oben gründlich geputzt. Das gibt viel zu tun. Bis spätestens um 10.30 Uhr sollten alle vier Stockwerke sauber sein.
Und danach?
Am Nachmittag haben sie frei und Zeit, einkaufen zu gehen. Wir hoffen, dass wir nächste Woche mit dem Deutschunterricht beginnen können. Die Koordination übernimmt ein Lehrer aus der Region. Zudem haben sich vier Personen aus der Gegend bei mir gemeldet, die den Männern beim Lernen helfen wollen. Die Menschen im Val Müstair sind sehr aufgeschlossen, hilfsbereit und nett.
Was machen die Flüchtlinge in ihrer Freizeit?
Sie spielen Ball, singen Lieder und unterhalten sich. Im Haus gibt es eine Disco, dort schliessen sie ihre iPhones an und hören Musik. Auch die vier Töggelikasten werden rege genutzt.
Die jungen Männer hatten sich darüber beschwert, dass im Münstertal nichts los ist. Wie haben Sie darauf reagiert?
Ich habe ihnen erklärt, dass die Abgeschiedenheit auch Vorteile hat. Die Männer sind ja aus Chur, Davos und Laax hierhergezogen. Dort läuft viel, sie sind ständig abgelenkt. Hier im Tal können sie sich besser aufs Lernen konzentrieren. Ich habe ihnen gesagt: «Hier habt ihr viel eher die Chance vorwärts zu kommen!»