Haushaltshilfen
Putzfrau per Mausklick

Mit dem Reinigen von Privathaushalten lässt sich viel Geld verdienen – nicht als Putzfrau. Doch Online-Plattformen, welche Reinigungskräfte per Mausklick vermitteln, erleben derzeit einen Boom.
Publiziert: 19.03.2017 um 13:36 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:26 Uhr
«Herumschnüffeln, das mach ich nicht!»
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Immer mehr Putzfrauen in Schweizer Haushalten:«Herumschnüffeln, das mach ich nicht!»
Aline Wüst (Text) und Stephanie Seliner (Video)

Nadja* (23) kann sich jeder nach Hause kommen lassen. Es ist so leicht wie der Kauf von Kleidern bei Zalando. Anklicken, wie viele Zimmer die Wohnung hat. Datum wählen. Zeit festlegen. Und entscheiden, ob man Nadja per Rechnung, Kreditkarte oder Gutschein bezahlen möchte. Zwei Tage später klingelt es an der Tür. Nadja hat rot lackierte Fingernägel und ist ein bisschen aufgeregt. Sie hat sich geschminkt, bevor sie kam. Nadja ist Putzfrau. Und von acht Uhr morgens bis neun Uhr abends an sieben Tage die Woche bestellbar. 

Es gibt kaum Daten zum privaten Reinigungsmarkt. Schätzungen gehen von 75 Prozent Schwarzarbeit aus. Doch Putzfrauen-Vermittlungen sind legal. Und sie boomen. Der Vorteil: Wer sie nutzt, braucht sich nicht um Versicherungen oder Ferienvertretungen zu kümmern. Noch bequemer ist der Service der Online-Start-ups Batmaid und Book a Tiger. Sie bieten seit knapp zwei Jahren Putzfrauen wie Nadja per Mausklick an.

Ein Markt von 500'000 Haushalten

In den USA und Deutschland ist das ein Riesengeschäft. Auch in der Schweiz ist die Nachfrage gross: Book a Tiger hat inzwischen 7000 Kunden, Batmaid mehr als 10'000. Eric Laudet (31), Gründer von Batmaid und ehemaliger Rohstoffhändler, geht von 500'000 Haushalten aus, die bereit sind, eine legale Putzfrau zu beschäftigen. Und er frohlockt: «Ein Milliardenmarkt!» Skeptisch sind bloss die Gewerkschaften. Denn die neuen Geschäftsmodelle bieten recht unverbindliche Arbeitsbedingungen.

Karin Frick (56), Forschungsleiterin des Gottlieb Duttweiler Instituts, sieht das Angebot eines unkomplizierten und preisgünstigen Austauschs von Dienstleistungen als wichtigen Grund für die steigende Nachfrage nach Haushaltshilfen. Aber auch die wachsende Zahl von berufstätigen Eltern, alter Menschen und berufstätiger Paare, die sich Streitereien über die Aufteilung der häuslichen Pflichten ersparen wollen, befeuert den Putzfrauen-Boom.

Ein weiterer Anbieter namens Mamiexpress stellt derzeit monatlich bis zu 60 neue Putzfrauen an, um die steigende Nachfrage zu decken. Branchenpionier Adrian Gsell (47) hat heute mit Putzfrau.ch mehr als doppelt so viele Haushalte als Kunden wie vor sechs Jahren, zurzeit sind es 8000. Homeservice24, eine Plattform, die für die Zusammenführung von Putzfrau und Kunde eine Gebühr verlangt, hat ihre Nutzer innerhalb von fünf Jahren verdreifacht. Derzeit besuchen pro Monat 50'000 Interessenten diese Website. Der gleiche Trend zeigt sich bei traditionellen Einzelkunden: 2009 meldeten 17'100 Haushalte eine Haushaltshilfe bei den Sozialversicherungen, 2015 waren es bereits 54'000.

Ist Nadja krank, verdient sie nichts

Geputzt wird in der Schweiz hauptsächlich von Migranten. Die einschlägigen Kleininserate sind voll italienischer, polnischer oder ungarischer Namen. Auch Anja Antczak (29) und Piotr Kucharskk (23), ein polnisches Paar, das sich in Oberentfelden AG niedergelassen hat, bietet so seine Dienste an. Sie wollen künftig vom Putzen leben und sind überzeugt, dass ihr Geschäftsmodell funktioniert. «Die Leute haben keine Zeit, selbst zu putzen», sagen die beiden. Sie berechnen 25 Franken pro Stunde.

«Staubsaugen macht Stress» Lucyna Hübner
Foto: Sabine Wunderlin

Lucyna Hübner (48), ebenfalls Putzfrau aus Polen, lebt in Adliswil ZH. «Staubsaugen macht Stress», sagt sie und versteht, dass viele Berufstätige abends nicht auch noch putzen wollen. Hübner reinigt insgesamt 30 Wohnungen. Sie ist zu 100 Prozent bei der Berner Agentur Fairness at work angestellt, verdient 28.70 pro Stunde, darf Weiterbildungen besuchen, hat Anspruch auf Ferien und eine Pensionskasse.

Auch Nadja, die Putzfrau von Batmaid, ist Migrantin. Sie verdient 21 Franken pro Stunde und nimmt jeden Auftrag an, der auf ihrem Smartphone aufpoppt. Eine garantierte Mindeststundenzahl hat sie nicht. Ist sie krank, verdient sie nichts.

Die Putzfrauen haben keine Lobby

Der Bedarf an Haushaltshilfen wird weiter wachsen. Für viele ist die Putzfrau unentbehrlich, um Beruf und Familienleben zu vereinbaren. Die Erwerbstätigkeit von Müttern hat in den letzten 25 Jahren um 20 Prozent zugenommen. Laut einer Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz schaffen vier gut ausgebildete Frauen, die ihr Arbeitspensum erhöhen, rechnerisch eine Vollzeitstelle für Haushaltshilfen. Würde die Hälfte aller Frauen mit Hochschulabschluss ihr Pensum erhöhen, ergäbe das einen Bedarf von 4400 zusätzlichen Stellen.

Carlo Knöpfel (58), Co-Autor der Studie, prognostiziert, dass immer mehr gut qualifizierte Frauen ihre Arbeitspensen erhöhen werden. Pierre-Alain Niklaus (47), ebenfalls an der Studie beteiligt, bereitet diese Entwicklung Sorgen. In einem Buch über die Arbeitsbedingungen von Sans-Papier in Schweizer Haushalten berichtet er von einer 58-jährigen Brasilianerin, die im Haushalt einer alten Frau putzt. Manchmal bekommt sie dafür gar nichts, beim nächsten Mal dann sechzig Franken.
Niklaus hofft, dass sich die Arbeitsbedingungen der Haushaltshilfen bessern.

Doch dies bleibt wohl ein frommer Wunsch. Denn: Putzfrauen haben keine Lobby.

*Name der Redaktion bekannt

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