Harald Schmidt, der legendäre Entertainer: Mit seiner Late-Night-Show setzte der 64-Jährige um die Jahrtausendwende neue Massstäbe in der Unterhaltung. Und prägte eine ganze Generation. Ein Gespräch mit dem Katholiken wird zum Gottesdienst der Aufklärung, zur Therapie gegen Denkschablonen. Das ist tröstlich in einer Zeit der vergifteten Streitkultur. Am kommenden Sonntag moderiert Schmidt die Matinee des Zürcher Bernhard Theaters.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Sie bald von einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP regiert werden. Zufrieden, Herr Schmidt?
Harald Schmidt: Ganz offen: Ich bin begeistert! Ich hätte nie gedacht, dass es für uns Besserverdienende noch komfortabler werden könnte. Dass die SPD und die Grünen bei der Regierungsbildung auf die FDP angewiesen sind, lässt die oberen zehn Prozent der Deutschen hoffen. Wobei FDP und Grüne gar nicht so weit auseinanderliegen: Der Grünen-Wähler steht eine halbe Stunde vor der Bäckerei für ein Neun-Euro-Brötchen an. Mit dabei seine beiden Patchwork-Kinder samt ihren Sonderwünschen.
Sie werden Kanzlerin Merkel also nicht vermissen?
Doch, aber mit Olaf Scholz geht das ja nahtlos weiter. Merkel und Scholz sind exakt die gleichen Typen. Mich interessiert allerdings viel mehr, was in der EZB passiert. Wenn die Notenpresse klemmt, wird es eng. Das dürfte dann auch Sie betreffen, selbst wenn der eine oder andere autokratische Staatenlenker in der Schweiz noch sein Geld parkt.
Haben Sie Angst um Ihren Wohlstand?
Ich komme aus einfachen Verhältnissen, habe mir meinen Lebensstandard erarbeitet und weiss, was es heisst, bescheiden zu leben.
Eine Kindheit in einfachen Verhältnissen hübscht jede Biografie auf.
Es ist die Wahrheit. Und solange man bei der Swiss noch sagt: «Schön, Herr Schmidt, Sie wieder bei uns begrüssen zu dürfen», bleibe ich tiefenentspannt.
Die Swiss hat hierzulande vor allem Schlagzeilen gemacht, weil ihre Manager 2020 Boni kassierten, während sie wegen Corona Staatshilfe erhielt.
Wenn es der Elite gut geht, wirkt das immerhin stabilisierend auf das System.
Eine recht unorthodoxe Sicht.
Max Frisch formulierte in «Biedermann und die Brandstifter» einen schönen Satz zu diesem Thema: «Ich bedaure es, dass man gerade in den unteren Klassen immer noch von Klassenunterschied schwatzt.»
Die politische Stabilität der Schweiz ist jedenfalls einer der grossen Standortvorteile unseres Landes.
Die Schweiz ist für uns das unerreichte Ideal. Mein Mitgefühl gilt allen Schweizern, die nach Berlin ziehen. Mit welcher Begründung zieht man aus der Schweiz dorthin? Das bleibt mir schleierhaft.
Vorsicht, Glatteis!
Womit ich natürlich nicht Ihren Kollegen Frank A. Meyer meine. Der ist ja praktizierender und bekennender Berliner geworden. Beeindruckend.
Er ist nicht der einzige prominente Schweizer Export.
Da fällt mir spontan Roger Köppel ein. Der ist wie Robert Menasse in Österreich: ein garantierter Aufreger. Grossartig! Köppel redet morgens im Deutschlandfunk, mittags auf Bild TV, abends in der öffentlich-rechtlichen Talkshow. Sitzt der bei euch überhaupt noch im Parlament?
Das kommt vor, doch. Jetzt reden wir nur über die Schweizer Migration nach Deutschland. Es gibt aber vor allem Deutsche, die in die Schweiz ziehen.
Allerdings ist es ein Unterschied, ob man nach Zürich zieht oder in den Kanton Zug. Ich müsste mein Geld schon sehr mögen, um nach Zug auszuwandern. Das ist sicher ein schöner, aber sehr beschaulicher Flecken.
Nie mit dem Gedanken gespielt, aus steuerlichen Gründen hierherzuziehen?
Ganz ehrlich: Ich zahle Steuern aus Überzeugung. In die Schweiz komme ich sehr gerne, aber nur als Tourist.
Was gefällt Ihnen hier?
Am liebsten reise ich mit dem Zug durch die Schweiz. Die Eisenbahn ist herrlich sauber und pünktlich. Dieses Land, in dem man nur etwas mehr als zweieinhalb Stunden von Zürich nach Genf braucht, bietet auf kleinem Raum so viel Unterschiedliches: das Oberengadin, den Genfersee, das Wallis oder den Jura zum Beispiel. Wenn mich dann ein Einheimischer darauf hinweist, dass es hinter der Kulisse ganz anders aussehe, ist mir das egal – ich komme der Kulisse wegen.
Ihr Lob wirkt verdächtig. So hat man Sie in Ihrer Late-Night-Show gar nicht gekannt ...
Ich habe noch die goldenen Zeiten erlebt, als ich meinen weiblichen Gästen an die Brüste fassen durfte – selbstverständlich nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der Damen. Ich bedaure meine jungen Kollegen, die da in einem strengeren Umfeld aufwachsen.
Was raten Sie Nachwuchsentertainern, die sich heute auf dem schmalen Grat zwischen Shitstorm und Langeweile behaupten müssen?
Ich bin nicht Altkanzler Schröder, den Sie im Sommer interviewt haben. Ich erteile der jungen Generation keine Ratschläge.
Man hat Sie jedenfalls nie als Kulturpessimisten wahrgenommen, der sich beklagt, dass man heute dieses und jenes nicht mehr sagen dürfe.
Das überlasse ich anderen.
Wobei die Pandemie die Debattenkultur verhärtet hat. Der Philosoph Richard David Precht zum Beispiel steht gerade im Gegenwind, weil er sich kritisch über die Covid-Impfung für Kinder geäussert hat.
Ich kenne Richard David Precht ja vor allem über die vielen Frauen, die ihn verehren. Sehen Sie sich mal an, wie er nach seinen Vorträgen von seinen weiblichen Fans umzingelt wird.
Eifersüchtig?
Ja klar! Den Shitstorm gegen ihn kriege ich übrigens gar nicht mit, weil ich auf keinem Netzwerk bin – Twitter, Facebook, Tiktok, Instagram und wie das alles heisst, interessieren mich nicht. Aber zentral ist doch etwas anderes.
Bitte!
Die Frage, ob Sie oder ich geimpft sind, fällt unter das Arztgeheimnis. Es gibt also nicht den geringsten Grund, sich öffentlich über dieses Thema zu äussern. Man spart sich viel Stress, indem man auch mal die Klappe hält und Cappuccino trinkt.
Sie schliessen die Jalousien, wenn es um die Pandemie geht?
Ich bin ein grosser Freund der Schulmedizin. Über Corona möchte ich nur etwas von Virologen hören. Da gibt es durchaus Interessantes. Eine emeritierte Professorin der Uni Zürich zum Beispiel gab kürzlich in einem Interview preis, dass sie seit zwanzig Jahren keine Hände mehr schüttle. Ich werde das fortan ebenso halten.
Haben Sie nicht ohnehin einen Hang zur Hypochondrie?
Ich tat früher nur so, weil das bei den Kollegen besser ankam. Einer meiner grössten publizistischen Erfolge war ein Auftritt in der «Apotheken-Umschau», bei dem ich den Hypochonder gegeben habe. Ich wusste: Wenn ich das behaupte, kommt es gut an. Das Blatt hat eine Auflage von neun Millionen Exemplaren und über zwanzig Millionen Leser, da kann sich eine «Süddeutsche» gleich wegschmeissen.
Gerade in Ihrem Metier, dem Showbusiness, positionieren sich Aushängeschilder wie Nena oder Jan Josef Liefers als Kritiker der staatlichen Corona-Politik. In manchen Kreisen wird schon von Maskenterror oder Diktatur geredet.
Mit dem Begriff Diktatur bin ich ganz vorsichtig. Ich würde den nie in diesem Zusammenhang verwenden. An der Maske habe ich Gefallen gefunden. Ich werde sie auch weiterhin tragen.
Das müssen Sie erklären.
Die Maske hat etwas Geheimnisvolles, etwas Orientalisches. Und viele Deutsche sehen besser aus mit Maske. Früher pflegte ich über Asiaten zu lachen, die nur mit Mundschutz auf die Strasse gehen, heute habe ich vollstes Verständnis.
Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner hat in einem privaten Mail die Bundesrepublik wegen der Corona-Politik mit der DDR verglichen. Ihre Meinung?
Diese Sicht teile ich ganz und gar nicht. Wobei ich Herrn Döpfner ansonsten sehr schätze. Ich halte es eher mit «NZZ»-Chefredakteur Eric Gujer, der geschrieben hat: «Der hässliche Deutsche trägt keinen Stahlhelm mehr, sondern belehrt die Welt moralisch.»
Sie sind genau sein Zielpublikum.
Ich bin begeisterter Zuschauer seiner Sendung «NZZ Standpunkte», vor allem, wenn er sie zusammen mit Katja Gentinetta moderiert.
Wieso das?
Ich bin Fan von Leuten mit zwei Wohnsitzen. Über Frau Gentinetta habe ich gelesen, dass sie in Lenzburg und Paris lebt.
Eine prima Kombination.
Oerlikon und Paris würde noch besser tönen. Oder vielleicht mit einem provinzielleren Touch: Paderborn und Albuquerque. Ich komme nicht mehr aus Köln hinaus.
Hätten Sie eigentlich auch gerne wieder eine Talkshow? TV-Legende Thomas Gottschalk hat gestern noch einmal «Wetten, dass..?» moderiert.
Er lebt in Baden-Baden. Verglichen damit ist der Kanton Zug Manhattan. Ich frage mich, ob er sich dort nicht langweilt. Vor allem, weil er kein Russisch spricht. Das braucht man, um sich in Baden-Baden rumzuschlagen.
Gottschalk nutzt Gelegenheiten, um in einer TV-Show dabei zu sein. Reizt Sie so was nicht auch?
Nein! Ich habe ja noch die eigenen Haare. Auch wenn sie mittlerweile dünn und weiss sind. Ich hoffe, Sie hören daraus meine Bewunderung für Tommy und sein Lebenswerk.
Gottschalk war auch sehr aktiv bei der Audio-App Clubhouse und ist in Podcasts zu hören.
Es gibt Leute, die drei Stunden lang einen Podcast hören. Das ist nicht mein Ding. Meine liebste Gesprächsform besteht daraus, mit dem stellvertretenden Chefredakteur des SonntagsBlicks zu reden, während der alles notiert. Ich sehe übrigens auch keine Talkshows mehr, die sind mir zu durchsichtig auf kalkulierten Krawall ausgelegt. Viel lustiger ist es etwa, wenn ein Generalsekretär im ARD-«Morgenmagazin» die ganze Scheisse vertreten muss, die seine Parteikollegen verursacht haben. Das ist beste Unterhaltung.
Sie können das ja einschätzen.
Ich kenne durchaus auch den Misserfolg. Mir wurden in meiner Karriere immer wieder Türen zugeschlagen. Wichtig ist einfach: Wenn man rausgeschmissen wird, muss der Tritt so stark sein, dass man gegenüber wieder reinfliegt.
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