Hanspeter Graf (64) sah die Schiesserei von Rehetobel AR
«Plötzlich taumelte ein Polizist aus dem Schopf»

Polizisten kämpften vor seinem Haus um ihr Leben. Hanspeter Graf (64) erlebte die Bluttat von Rehetobel AR aus nächster Distanz.
Publiziert: 05.01.2017 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:06 Uhr
1/4
In diesem Schopf verletzte Roger S. zwei Polizisten mit Schüssen. Einen davon lebensgefährlich.
Foto: Toini Lindroos
Marco Latzer

Die Idylle in Rehetobel AR wird am Dienstagmorgen jäh zerstört. Hanspeter Graf (64) ist gerade dabei, sein Bett zu machen, als plötzlich Schüsse fallen. Vor seinem Haus wurde aus einer Hanf-Razzia ein Kampf um Leben und Tod. Vier Polizisten sind vor Ort. Alle in Zivil.

Zwei Beamte tragen zusammen mit Roger S.* (†33) diverse Gegenstände aus dem Schopf. Plötzlich Schüsse. «Zuerst dachte ich an eine Übung», sagt Graf zu BLICK. Der Hotelfachmann erinnert sich: «Dann taumelte schon ein Polizist aus dem Schopf.» Es ist einer der Beamten, der vorher noch beim Tragen geholfen hatte. Er ist schwer getroffen. Zwei weitere Polizisten, die eigentlich nur die Aktion flankiert hatten, suchen hinter einem Kleinbus Schutz und erwidern das Feuer.

Nach den Schüssen haute er ab

Augenzeuge Graf weiter: «Der Getroffene schleppte sich zu einem Nachbarhaus, wo er laut um Hilfe schrie.» Der Mann habe eine Schusswunde am Knie gehabt. Eine zufällig vorbeikommende Autofahrerin hält an, leistet dem Beamten (37) erste Hilfe, gibt ihm eine Rettungsdecke. Was Hanspeter Graf aus seinem Winkel nicht sieht: Ein junger Polizist (29) ist mit einem Herzsteckschuss noch viel schlimmer verletzt.

Der Anwohner bekommt vom Fenster nur mit, wie die Polizisten verzweifelt und hektisch Verstärkung anfordern. Die neu eintreffenden Polizisten vermuten Roger S. noch in der Nähe, durchsuchen auch das Haus des Zeugen. «Dabei war er längst über alle Berge. Ich sah ihn das Tobel hinabspringen, dann verschwand er im Wald.»

Woher hatte Roger S. die Waffen?

Seine letzten Stunden verbringt Roger S. rund um sein Haus auf einer Hügelkuppe – dorthin kam er noch zu Fuss. Denn: Seine Wohnadresse liegt nur einen Kilometer vom Schopf entfernt.

Jetzt ist er auf sich allein gestellt. Umzingelt. In der Falle. In seinem Rucksack hat er mehrere seiner geliebten Schusswaffen. Ein Schulfreund beschreibt den Schützen als Einzelgänger: «Er liebte Knarren. In seinem Elternhaus waren sie praktisch immer verfügbar. Sie hatten auch einen Schiesskeller daheim.» 

Nach stundenlangen Verhandlungen mit den Beamten richtet sich Roger S. schliesslich selbst. Mit einer Waffe, die er nach seiner Verurteilung wegen mehrfacher versuchter Tötung eigentlich gar nicht haben dürfte. Kam sie aus seiner schiessbegeisterten Familie? «Kein Kommentar. Wir ermitteln in alle Richtungen», sagt Hanspeter Saxer, Sprecher der Kantonspolizei Ausserrhoden.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?