Das Smartphone ist Teil unsere Lebens: Wir stehen damit auf, verbringen den Tag damit und schlafen gemeinsam ein. Vielleicht lesen sie auch diesen Artikel auf einem Smartphone. Doch was passiert eigentlich mit uns, wenn sich unser Blick ständig in Richtung Smartphone dreht? Der deutsche Hirnforscher Manfred Spitzer, sieht die Nutzung besonders bei Kindern und Jugendlichen sehr kritisch. Eine übermässige Nutzung von Smartphones könne zu Aufmerksamkeitsstörungen, Depressionen, Bewegungsmangel und Ängsten führen. Warum sind aber Kinder und Jugendliche mehr als Erwachsene von den Auswirkungen betroffen? Spitzer erklärt dem Online-Portal «GIGA»: «In diesem Alter befindet sich das Gehirn noch in der Entwicklungsphase und genau diese normale Gehirn-Entwicklung wird durch das Smartphone gestört.»
Höchste Zeit, mit Jugendlichen über das Thema zu reden? Wir konnten eine Klasse im Oberstufen-Zentrum Orpund bei Biel im Kanton Bern besuchen – und mit den Schülern diskutieren. Obwohl das Handy hier während der Schulzeit «eigentlich» verboten ist, kommen bei den Schülern aus der neunten Klasse doch einige Stunden Bildschirmzeit zusammen, wie sich im gemeinsamen Gespräch schnell zeigt.
Das Thema ist ein Dauerbrenner an der Schule. Auch Melissa Pollino (15) und ihre Schulfreundin Melanie Lambert (16), die beide im Schülerrat sitzen, kommen nicht davon weg. Beide verbringen täglich im Durchschnitt vier bis fünf Stunden mit ihrem Telefon, das zeigt ihnen die Funktion «Bildschirmzeit» auf ihrem Handy. Im Schülerrat diskutieren sie mit den Lehrpersonen hauptsächlich darüber, ob man das Handy auch in den Pausen benutzen darf oder im Unterricht, wenn danach gefragt wird. Melanie und Melissa würden gerne noch weiter gehen: Sie wollen das Handy auch auf dem Schulgelände benutzen.
Ein Viertel des Tages am Handy
Der 14-jährigen Fabrizio erzählt, dass er am Tag zwischen sechs bis sieben Stunden mit seinem Handy beschäftigt ist. Wie kommt er auf eine solche Nutzungszeit? «Die meiste Zeit verbringe ich auf YouTube, Netflix, höre Musik oder spiele Spiele.» Auf die Frage, was er machen würde, wenn er ohne Handy leben müsste, hat er folgende Antwort: «Ich könnte schon ohne Handy leben, aber es wäre schwierig. Ich habe mein Handy immer bei mir und bin immer damit beschäftigt.» Ganz ohne Handy geht es in unserer Gesellschaft eben doch nicht, oder? Doch! Das erklärt sein Mitschüler Cédric Schmutz (14). Denn er verbringt täglich nur 25 Minuten mit seinem Handy. Warum? «Ich habe auf meine Smartphone nur Whatsapp installiert.» Auf Social Media-Kanälen wie Instagram, Snapchat oder Facebook ist er nicht zu finden. «Ich finde einfach nicht, dass ich das brauche. Whatsapp reicht mir, um mit meinen Kollegen zu kommunizieren», sagt er. Dass er somit auch verpasst, was seine Freunde gerade am freien Wochenende machen der sein Lieblings-Superstar gerade in Hollywood treibt, ist ihm sogar ziemlich egal.
Sein 15-jähriger Mitschüler Tim Müller braucht sein Handy viel während der Schulzeit: «Ich darf das Handy oft in der Schule benutzen zum rechnen oder die Wandtafel abzufotografieren. Es macht viele Sachen einfacher, wenn wir das Handy in der Schule benutzen dürfen. Im Französisch dürfen wir sogar manchmal mit der App «Quizlet» üben.» Lernen mit dem Handy? Ja, das geht, und ist auch Realität. Das hat auch seine Mitschülerin Rahel Möschler (15) gemerkt: «Für die Schule recherchiere ich Sachen mit dem Handy oder schlage Wörter im Französisch nach. Bei mir geht das schneller als mit dem Lexikon».
Auch Lehrer sind nicht für ein Handy-Verbot
Ist die Schule wirklich der richtige Platz für das Handy? Für Klassenlehrerin Barbara Lovens (63) ist klar: «Handys in der Schule sind bei uns ein Dauerthema. Ich glaube nicht, dass es realistisch ist, Handys an Schulen komplett zu verbieten. Den Schülern muss aber klar sein, wann und wo sie es benutzen dürfen, damit keine Grauzonen entstehen.» Beat Zemp, Zentralpräsident des Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz ist derselben Meinung: «Von einem generellen Handy-Verbot an allen Schulen in der Schweiz halten wir nicht viel.» Dies sei auch gar nicht zu kontrollieren, meint er. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz empfiehlt den Lehrpersonen aber, auch mal eine Handy-freie Woche mit ihren Klassen zu vereinbaren, während der die Schülerinnen und Schüler freiwillig auf ihr Handy verzichten und dann beobachten, wie dies ihr Leben verändert. Es soll den Schülern helfen, problematische Nutzungsmuster oder gar eine Handysucht zu erkennen. Im Lehrplan 21 gibt es ausserdem neu das Fach «Medien und Informatik», wo die Schülerinnen und Schüler den Umgang mit elektronischen Kommunikationsinstrumenten und der virtuellen Welt besser kennen lernen. Wie weit entfernt das aktive Lernen mit dem Smartphone noch ist, kann aber niemand genau sagen.