Handel und Entwicklung
UNCTAD mit Massnahmenkatalog für eine gerechte Weltwirtschaft

In der globalen Wirtschaft sollten die Menschen höher gewichtet werden als Profite. Deswegen müsse das System von Grund auf erneuert werden: weg von der gängigen Austeritätspolitik in den Industrienationen hin zu einem globalen New Deal.
Publiziert: 14.09.2017 um 19:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:45 Uhr
UNCTAD-Direktor Mukhisa Kituyi fordert eine Wirtschaftsordnung, in der die Staaten gemeinsam für mehr Gerechtigkeit sorgen. (Archiv)
Foto: KEYSTONE/MARTIAL TREZZINI

Diese Kernforderungen stellt die UNO-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in ihrem Jahresbericht 2017, den sie am Donnerstag vorlegte. Dabei favorisiert die UNCTAD eine Verlagerung der Gewichte weg vom liberalen Markt hin zu mehr Staat.

Unter dem Titel «Beyond Austerity - Towards a Global New Deal» (Jenseits von Austeritätspolitik - Hin zu einem weltweiten New Deal) schlägt die UNCTAD einen Bogen von den Zuständen auf dem Weltmarkt heute zurück in das Jahr 1947, als Internationaler Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die UNO zusammen spannten, um die globale Nachkriegswirtschaft neu auszutarieren - und den Marshall-Plan auflegten.

«Sieben Jahrzehnte später sind ähnlich ambitionierte Anstrengungen nötig, um der Ungleichheit durch Hyperglobalisierung zu begegnen und eine nachhaltige Wirtschaft für alle zu gestalten», schreibt die UNCTAD in einer Mitteilung.

Mit dem Bericht legt die UNCTAD eine Analyse des Ist-Zustandes vor und leitet daraus Forderungen ab, die darauf hinauslaufen, die Macht auf den Märkten neu auszubalancieren und den schwachen Gruppen in den Gesellschaften eine Stimme zu geben, den Konsumenten, den Arbeiterorganisationen, den Bauern und den besitzlosen Armen. Letztlich fordert die UNCTAD, dass staatliche Initiative zu Gunsten aller über Marktliberalismus gestellt werden müsse.

Konkret sollten Staaten ihre Austeritätpolitik aufgeben, die sich einseitig an ausgeglichen Staatshaushalten und der Verringerung von Staatsschulden orientiere. Stattdessen fordert die UNCTAD Investitionen in den öffentlichen Sektor, um die Infrastrukturen zu verbessern und Beschäftigung zu schaffen.

Einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt sieht die UNCTAD bei der Steuerpolitik. Einkommensungleichheit könne ausgeglichen werden, indem über progressive Steuern sowie der Besteuerung von Eigentum und Kapitaleinkommen die staatlichen Einnahmen erhöht würden. Als Grundlage einer fairen Besteuerung schlägt die Organisation ein weltweites Register vor, das alle Kapitaleigner auflisten soll.

Darüber hinaus müsse laut UNCTAD das Finanzkapital gezähmt werden. Entsprechende Regulierungen sollten die Banken, die Vermögensverwaltung bis hin zu «gitftigen» Finanzprodukten betreffen.

Zentral ist für UNO-Organisation zudem, dass Arbeit ein stärkeres Gewicht erhält. So sollen «gesetzgeberische Aktivitäten» dafür sorgen, dass prekäre Arbeitsverhältnisse korrigiert werden. Vom Staat wünscht sich die UNCTAD generell eine aktive Rolle auf dem Arbeitsmarkt. Zudem sollten sich Löhne künftig an der Profitabilität der Unternehmen orientieren.

Dieser Forderungskatalog steht vor dem Hintergrund, dass sich laut einer Untersuchung der UNCTAD der Graben zwischen Besitzenden und Besitzlosen zusehends vertieft. «Wir sehen eine Welt von Profiten ohne Wohlstand, wo asymmetrische Marktmacht zu steigender Einkommensungleichheit beiträgt», lässt sich UNCTAD-Generalsekretär Mukhisa Kituyi in der Mitteilung zitieren. Damit meint er: Grosse Konzerne steigerten weltweit ihre Profite, legen an Macht zu und seien deshalb in der Lage, die Regeln der Wirtschaft zu ihren eigenen Gunsten zu bestimmen.

Für ihre Untersuchung hat die UNCTAD Daten von Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors in 56 Industrie- und Schwellenländern ausgewertet. Demnach legten zwischen 1995 und 2015 die Gewinne dieser Unternehmen von vier Prozent auf 23 Prozent der Gesamtgewinne aller Firmen zu; und die Gewinne der Top-100 Unternehmen kletterten von 19 Prozent auf 40 Prozent der weltweiten Unternehmensgewinne.

1995 war die Marktkapitalisierung der Top-100 Unternehmen 31 mal höher als die der 2000 Unternehmen am unteren Ende. 20 Jahre später liegt der Multiplikator bei 7000.

Gleichzeitig ist der Anteil der Grossen an der Beschäftigung unterproportional gewachsen. Während sich die Marktkapitalisierung der Top-100 vervierfacht habe, habe sich deren Anteil an der Beschäftigung weniger als verdoppelt.

Konsequenz dieser Entwicklung sei, so der Bericht, dass Investitionen abnehmen, dass die Arbeitsbedingungen prekärer werden und dass die soziale Absicherung immer schwächer werde.

Dieser Entwicklung setzt die UNCTAD ihren Forderungskatalog und ihre Idee eines New Deal entgegen.

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