Er betritt den Gerichtssaal: ein Riese, ein Muskelprotz, ein Mann im doppelreihigen Nadelstreifenanzug, mit Pferdeschwanz, Vollbart, Siegergrinsen. Alles an ihm schreit «schuldig!»: das Poschettli, die teure Uhr, der Totenkopfring am kleinen Finger. Nur: Dieser Mann ist der Anwalt, nicht der Angeklagte.
Robert Kain (47) verteidigt den Schweizer Spion Daniel M.* in Frankfurt (D) vor Gericht. Der Jurist aus Norddeutschland muss bis Donnerstag einen Deal präsentieren. Kommt er zustande, hat er seinen Mandanten rausgeboxt. Fünf Jahre Höchststrafe würden zu einer bedingten schmelzen.
Es wäre ein Triumph. Nur muss Kain dem Staatsanwalt dafür eine gute Story auftischen. Wohin floss das Geld des Schweizer Geheimdienstes? «Sie können ja sagen, er habe es im Casino verspielt», scherzt eine Journalistin vor dem Gerichtsgebäude. «Gute Idee, vielleicht tu ich das», lacht Kain – ein Wrestler, bereit für die Show.
«Fälle mit Blut und Sperma liegen ab und zu noch drin»
Gemessen am öffentlichen Interesse ist die Spionageaffäre Kains bisher grösste Bühne. Das heisst etwas. Denn der gebürtige Hamburger ist bekannt für prominente Fälle. Gern kümmert er sich um die harten Jungs: Hells Angels, denen Zuhälterei vorgeworfen wird. Boxpromoter, die ihre Schwiegermutter bedrohen.
Einmal soll er einen vertraulichen Brief für einen Mandanten aus der U-Haft geschmuggelt haben. Das war vor gut zehn Jahren, im grössten Wirtschaftsverfahren Hamburgs (D). Im Zentrum stand ein Internet-Unternehmer, der Hunderte Millionen Euros vernichtete. Die Crème de la Crème der Advokaten war damals aufgeboten. Der Mann musste am Ende trotzdem ins Gefängnis.
«Ach, die alten Kamellen!», sagt Kain amüsiert. Und wer sich in der Branche umhört, kann erfahren, der Milieuanwalt sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Seine Kanzlei brummt. Ärzte, Banker, Unternehmer sind seine Klienten. «Fälle mit Blut, Schweiss und Sperma liegen ab zu und noch drin», sagt er. Er tönt, als habe er Heimweh nach dem Kiez.
Aber wie gerät Kain an einen Schweizer Spion? Er ist kein Pflichtverteidiger, Daniel M. hat ihn gezielt ausgewählt. Den Kontakt stellte Valentin Landmann (66) her. Der schillerndste Anwalt der Schweiz, der mit der Glatze, ist mit Kain befreundet. Sie teilen ihre Mandate und ein Fai-ble für Totenköpfe. Kennengelernt haben sie sich im Hamburger Fischereihafen-Restaurant, obwohl Kain keinen Fisch isst. Gemeinsame Bekannte aus der Bikerszene stellten sie einander vor. Wie es so läuft unter richtigen Kerlen.
Er passt in keine Schublade
Natürlich fährt Kain Harley. Und als Student war er Türsteher auf der Reeperbahn: «Ich bin ein schlagkräftiger Anwalt», sagt er. Und wirkt, als könnte er die Dinge auch anders angehen. Spion M. sieht neben ihm aus wie Alpöhi. Wer sich trotzdem an Kain heranwagt, wird überrascht. Er ist charmant, hat Manieren, redet artikuliert. Er versuche, seine gute Kinderstube nicht zu sehr zu verleugnen, sagt er. Der Mann passt in kein Stereotyp.
Nun also die Spionageaffäre. Wegen des Prestiges? Solche Fälle lehne man natürlich nie ab, sagt Kain. Er suche Herausforderungen, spannende Geschichten und seelische Abgründe. Am Fall M. reizt ihn die politische Komponente. Und sein Mandant sei ein angenehmer Mensch.
Ein Samariter sei Kain sicher nicht, lästern sie in Hamburg. Klar, sagt er, spiele im Job auch das Finanzielle eine Rolle. Aber eben nicht nur. Er wolle das Bestmögliche für seinen Mandanten. Im Fall M. bedeutet das: kein Gefängnis. Dafür muss nun bis Donnerstag ein Deal her.
Irgendwann ist in Frankfurt vor Gericht alles gesagt. Kameras werden ausgeschaltet. Kain verabschiedet sich von der Presse. Irgendwie ist man enttäuscht, als er zu Fuss weggeht. Man hätte eine Harley erwartet
*Name der Redaktion bekannt
Dem Schweizer Spion Daniel M. wird in Frankfurt der Prozess gemacht. Er hat deutsche Steuerfahnder ausgespäht, vielleicht auch einen Maulwurf in deren Amt installiert. Es ist ein politischer Prozess. Die Deutschen führen den Mann vor. Man wünscht ihm, dass er bald freikommt. Für die Schweiz wären ein Deal und damit ein schnelles Ende des Prozesses trotzdem schlecht. Die Öffentlichkeit würde nicht erfahren, was alles schieflief.
Amateure
Denn schiefgelaufen ist ziemlich viel, der Fall wirft ein schlechtes Licht auf die Ermittlungsbehörden des Bundes. Nachrichtendienst und Bundesanwaltschaft agierten wie Amateure. Mit ihrem unkoordinierten Vorgehen lieferten sie den eigenen Mann ans Messer. Ein Deal und den Deckel drauf: Das würde Nachrichtendienstchef Markus Seiler und Bundesanwalt Michael Lauber so passen. Ihre Pannen waren es, die zum Skandal führten. In anderen Ländern würden Rücktritte gefordert.
Politiker fürchten Dominoeffekt
Nicht so in der Schweiz. Die Landesregierung hielt sich vornehm zurück. Dabei wusste der Bundesrat über die Aktivitäten des Nachrichtendienstes Bescheid. Auch jetzt ist es verdächtig ruhig in Bern. Die Politiker fürchten sich vor einem Dominoeffekt, der sie selber beschädigen könnte.
Der einzige Rücktritt in der Causa war der von Nationalrätin Corina Eichenberger (FDP) aus der Geschäftsprüfungsdelegation. Ihr wurde von den anderen Mitgliedern vorgeworfen, sie habe in der Affäre zu offensiv kommuniziert.
Das ist ein Witz. Sie war einfach transparent – als Einzige. Die gleiche Delegation untersucht nun übrigens die Affäre. Auch dies ein Witz.
Dem Schweizer Spion Daniel M. wird in Frankfurt der Prozess gemacht. Er hat deutsche Steuerfahnder ausgespäht, vielleicht auch einen Maulwurf in deren Amt installiert. Es ist ein politischer Prozess. Die Deutschen führen den Mann vor. Man wünscht ihm, dass er bald freikommt. Für die Schweiz wären ein Deal und damit ein schnelles Ende des Prozesses trotzdem schlecht. Die Öffentlichkeit würde nicht erfahren, was alles schieflief.
Amateure
Denn schiefgelaufen ist ziemlich viel, der Fall wirft ein schlechtes Licht auf die Ermittlungsbehörden des Bundes. Nachrichtendienst und Bundesanwaltschaft agierten wie Amateure. Mit ihrem unkoordinierten Vorgehen lieferten sie den eigenen Mann ans Messer. Ein Deal und den Deckel drauf: Das würde Nachrichtendienstchef Markus Seiler und Bundesanwalt Michael Lauber so passen. Ihre Pannen waren es, die zum Skandal führten. In anderen Ländern würden Rücktritte gefordert.
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