«Es zerreisst einem fast das Herz»
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Kirchenbrand an Weihnachten:Sanierungsarbeiten in Herzogenbuchsee laufen

Grosse Solidarität nach Kirchturm-Brand in Herzogenbuchsee
Katholiken bieten Reformierten Asyl

Das Inferno von Heiligabend traf Herzogenbuchsee BE ins Herz. Der Kirchturm ging in Flammen auf und stürzte ein. Die Einwohner versuchen dem Drama Positives abzugewinnen. Die Solidarität im Ort ist gross.
Publiziert: 26.12.2019 um 23:06 Uhr
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Alle Rettungsbemühungen waren umsonst: Kurz vor 23 Uhr stürzte der Kirchturm ein.
Foto: Leserreporter
Anian Heierli

Ausgerechnet an Heiligabend wird der Kirchturm in Herzogenbuchsee BE ein Raub der Flammen! Regierungsstatthalter Marc Häusler (42) isst gerade mit seiner Familie Fondue chinoise, als ihn der Alarm erreicht. «Das Essen habe ich stehen lassen», sagt er zu BLICK. Er eilt zur Kirche und kann es kaum glauben. Der Anblick der Kirche ist ein Schock. Trauer steigt hoch. «Es war auch meine Kirche. Ich komme aus Herzogenbuchsee und bin reformiert. Es zerreisst einem fast das Herz», sagt Häusler zu BLICK.

Doch was ist passiert? Am Morgen des 24. Dezembers stieg plötzlich Rauch aus dem Turm der reformierten Kirche auf. 84 Feuerwehrmänner hatten die Flammen bis zum Mittag grösstenteils unter Kontrolle. Bis der als gelöscht angesehene Brand um 19 Uhr erneut ausbricht. Mit schlimmen Folgen: Die Spitze des Turms stürzt ein. Die Teile stürzen auf das Kirchenschiff, reissen ein Loch ins Dach.

Gab es einen Kurzschluss?

Die Ursache für das Inferno an Heiligabend? Unklar! Wegen Einsturzrisiko verlief die Spurensicherung erst ansatzweise. Führten veraltete Elektroinstallationen zum Feuer? Die reformierte Kirche in Herzogenbuchsee wurde erst 2018 saniert: Orgel, Licht, Heizung und Lüftung wurden erneuert. Doch diese Arbeiten fanden im Hauptgebäude statt – nicht im Turm.

Dieser sei zuletzt in den 1970er-Jahren saniert worden, erklärt Kirchgemeindepräsident Christoph Tanner. Auch für ihn ist der Brand ein Schock. «Seit fünf Jahren bin ich im Amt», sagt er. «Die Kirche ist mir ans Herz gewachsen. Das ist sehr emotional.» Am Donnerstag wird auch klar: Es bleibt nicht nur beim zerstörten Dach. Auch die Orgel ist wegen des Löschwassers beschädigt und an der Decke blättert Gips ab. Insgesamt beläuft sich der Schaden an der historischen Kirche mit Baujahr 1728 auf mehrere Millionen Franken.

«Krippenfiguren sind in Sicherheit»

Dennoch versucht Tanner dem Brand an Heiligabend Positives abzugewinnen. «Kelche und Krippenfiguren konnten gerettet werden», sagt er. Es seien Objekte von grossem emotionalen Wert. Ihm liegt auch ein herzliches Angebot der katholischen Gemeinde vor. Solange die Aufbauarbeiten laufen, dürfen die Evangelisch-Reformierten in der katholischen Kirche ihre Gottesdienste halten.

Über diesen starken Zusammenhalt im Ort freut sich auch Gemeindepräsident Markus Loosli (62). Er sagt: «Viele Einwohner waren bereits an Heiligabend beim Brand. Es war ihnen wichtig, zu sehen, was mit ihrer Kirche passiert.» Deshalb musste er über Weihnachten nahezu ohne Unterbruch Auskunft geben.

Kinder zeichneten für die Feuerwehr

Zudem brachten die Einheimischen den Feuerwehrmännern im Einsatz warme Getränke und Essen. Feuerwehr-Kommandant Simon Schär (48) freut sich besonders über aufmunternde Worte von Kindern. «Wir bekamen mehrere Zeichnungen geschenkt», sagt er BLICK und erklärt stolz. «Diese hängen nun im Feuerwehrlokal.»

Seine Männer standen bis am Donnerstag im Einsatz. Am Freitag kommen die ersten Arbeiter, die das Gebäude sichern und das Dach vor Regen schützen. Die Aufbauarbeiten werden wohl Monate dauern. Noch ist unklar, wann in dieser Kirche wieder ein Gottesdienst stattfindet.

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