So verbringen die Davoser die WEF-Zeit
Sie machen das grosse Geld – oder Ferien im Ausland

Manche profitieren, andere flüchten. Das World Economic Forum (WEF) drückt Davos seinen Stempel auf. Der Tourismus-Hotspot wird für Tage zur Hochsicherheitszone. Für die Einheimischen ist der Mega-Event Segen und Fluch zugleich.
Publiziert: 18.01.2020 um 15:58 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2020 um 08:09 Uhr
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Josi (65) und Christian (67) flüchten während des WEF nach Spanien.
Foto: Anian Heierli
Anian Heierli

Die Arbeitstage sind lang und die Pausen kurz. Davos GR wird herausgeputzt fürs World Economic Forum (WEF). LKW drängeln durch die Strassen, Soldaten ziehen Stacheldraht, und Handwerker machen aus den Geschäften an der Promenade moderne Showrooms. Der Ort mutiert zum Laufsteg für die Elite dieser Welt.

Das passt nicht allen. Die Einheimischen Christian (67) und seine Frau Josi (65) ergreifen die Flucht. Zu stressig ist ihnen der Kongress. Er sagt zu BLICK: «Jetzt sind wir pensioniert und können endlich während des Forums verreisen.» Für die beiden geht es in den Süden – ins spanische Valencia.

Weg vom Stress – auf in die Wärme

«Das WEF ist für uns Einheimische ein grosser Stress», sagt der Ehemann. «Die Strassen sind verstopft. Wenn ich langlaufen will, muss ich einen grossen Umweg machen. Unsere Wohnung ist in der Sicherheitszone. Deshalb können wir auch niemanden einladen.» Gewinn zieht das Ehepaar keinen aus dem Forum. «Nein, wir vermieten unsere leere Wohnung nicht.» Aus einem einfachen Prinzip: «Wir möchten nicht, dass ein Fremder in unserem Bett schläft.»

Auch Dieter Briesemeister (60) gibt seine Wohnung nicht weg. «Mir ist das zu mühsam», so der Maler. «Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe.» Er streicht gerade mit seinem Arbeitskollegen Gjoni Luigi (45) eine Wand in der Nähe des Kongresszentrums. Der Italiener weiss: «Das muss alles hübsch aussehen, wenn die Gäste kommen.»

Das Maler-Duo freut sich über gute Aufträge

Das eingespielte Duo arbeitet seit Jahren am WEF: «Momentan ist es nicht so kalt, so ist es angenehm.» Briesemeister stellt klar: «Für uns ist das WEF eine gute Sache, denn da gibt es gut zu tun.» Doch auch er findet manche Preise überrissen. «Ich habe gehört, dass einige ihre Läden für sechsstellige Beträge vermieten. Das ist Wucher.»

Tatsächlich gibt es an der Promenade rund um den Kongress kaum einen Laden, der nicht schliesst. Das ganze Inventar wird ausgeräumt, um Platz zu machen für internationale Konzerne wie Facebook, Google oder Alibaba. Eines der wenigen Geschäfte, die offen bleiben, ist der Souvenirladen Swiss Alp Fantasy. Chefin Esther Heldstab erklärt, warum: «Aus zwei Gründen. Erstens will ich nicht alles ausräumen, zweitens lassen sich Souvenirs auch am WEF verkaufen.»

Sie versteht aber, dass ein Buch- oder Strickwarenladen eher schliesst. Bei ihr im Shop kaufte bereits der britische Ex-Premierminister David Cameron (53) ein. Deshalb überlegte sich Heldstab auch, was US-Präsident Trump (73) gefallen könnte. «Ein Davos-Pulli und ein Golfball mit Schweizerkreuz», sagt sie. Sie schmunzelt und meint: «Vielleicht auch noch ein Chüeli-Gürtel. Am besten 150 Zentimeter lang, damit er passt.»

Kuckucksuhren, Fondue-Sets und Steinböcke

Jedes Jahr würden WEF-Gäste bei ihr einkaufen. Beliebt sind Kuckucksuhren, Fondue-Sets und Steinböcke. «Ganz wichtige Personen kaufen aber nicht immer persönlich ein», sagt sie. Manche hätten Personal, das für sie einkauft. Für sie ist klar, dass Davos vom WEF profitiert.

Diese Meinung teilt auch Wirt Fritz Bauriedl (47). Er führt das Dorfrestaurant Montana Stube. «Für den Ort ist das WEF sehr gut. Die TV-Bilder gehen um die Welt.» Er selbst ist aber nicht auf den Anlass angewiesen. So vermietet er keine Hotelzimmer, und seine Gäste sind vor allem einheimische Davoser und Zweitwohnungsbesitzer.

Auch Prominente mischen sich unter die Dorfbevölkerung

«Wir haben aber auch immer bekannte Leute hier», sagt er. Manche erkennt er nicht mal. «Einmal war der Sänger James Blunt bei uns, und wir haben es erst im Nachhinein gemerkt, weil uns jemand darauf hingewiesen hat.» Er lacht und sagt: «Viele Gäste kommen wegen unserem Mistkratzerli, wir servieren es mit Pommes und Ratatouille.»

Dass ein Staatschef bei ihm einkehrt, glaubt er nicht. «Solche Anfragen gab es. Doch dafür müsste man das ganze Restaurant schliessen. Dazu sind wir nicht bereit.» Er freut sich dennoch auf die WEF-Woche: «Es wird zwar intensiv, dafür hat es immer wieder neue Überraschungen.»

WEF 2020

Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.

Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.

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