Das Video eines BLICK-Leserreporters von einem heftigen Streit auf einem Churer Parkplatz sorgt für Aufsehen: Ein Mann und eine Frau schreien lauthals und völlig enthemmt, beschimpfen eine Polizistin und einen Polizisten. Obwohl dem Wüterich befohlen wird, sich auf den Boden zu legen, nähert sich dieser dem Beamten, brüllt weiter. Plötzlich fällt ein Warnschuss.
Das Video zeigt exemplarisch, wie schwierig Polizeiarbeit sein kann: Die Lage hätte jederzeit ausser Kontrolle geraten können. «Wir stellen fest, dass die Situation bei Polizeieinsätzen vermehrt eskaliert», sagt Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizer Polizei-Beamter (VSPB). «Polizistinnen und Polizisten werden beschimpft, bedroht und angegriffen.» Auch Meinrad Stöcklin, langjähriger Sprecher der Baselbieter Polizei, kennt diese Probleme: «Dass Leute austicken, gehört zum Berufsalltag eines Polizisten.»
«Beamte rennen oft gegen eine Wand»
Das Gespräch sei sicher der beste Weg zur Deeskalation, sagt Bundi Ryser. «Doch wenn sich ein Polizist massiv bedroht fühlt, muss er unter Umständen einen Warnschuss abgeben. Wenn Personen alkoholisiert sind oder unter Drogeneinfluss stehen, rennen die Beamten mit Gesprächsbemühungen leider oft gegen eine Wand.»
Was können die Ordnungshüter in diesem Chaos tun? «Für einen Polizisten hat der Eigenschutz stets höchste Priorität. Zudem soll er, wenn möglich, deeskalierend wirken», sagt Stöcklin. «Ab wann sich ein Polizist bedroht fühlt, empfindet jeder anders und ist stets entscheidend von der Situation abhängig. Die Schussabgabe ist das absolut letzte Einsatzmittel und hat jeweils eine umfassende kritische Nachbearbeitung zur Folge.»
Den konkreten Fall in Chur könne sie nicht kommentieren, sagt Bundi Ryser. «Aktuell läuft eine Untersuchung, und die sollte auch abgewartet werden, bevor irgendwelche Mutmassungen angestellt werden.»
Pöbler mit Knast bestrafen?
Bundi Ryser fordert schon seit längerem eine Verschärfung des Strafmasses bei Beschimpfungen, Drohungen und Angriffen gegenüber Polizisten. Der Verband unterstützt eine entsprechende parlamentarische Initiative. Dank der Verschärfung sollen Pöbler nicht nur mit Geldstrafen, sondern auch mit Knast bestraft werden können.
Beim Vorfall vor einer Woche in Chur wurde zum Glück niemand verletzt. Die Staatsanwaltschaft hat sich des Falles angenommen.
Der Polizist habe den Warnschuss abgegeben, weil er sich bedroht fühlte, sagt Sprecher Claudio Riedi. Die beiden Krawallmacher konnten letzten Endes trotz der erschwerenden Umstände festgenommen werden. Inzwischen wurden sie aus der U-Haft entlassen.