Ohne Radargerät
Churer Polizei schätzt Tempo und verteilt Bussen

Seit Sommer gibt es in der Churer Altstadt Geschwindigkeitskontrollen – aber ohne Radargeräte. Die Polizisten schätzen die Geschwindigkeit ein. Glauben sie, dass sie zu hoch ist, gibts eine Busse. Velofahrer sehen das als Schikane.
Publiziert: 18.10.2018 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2018 um 15:27 Uhr
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In der Altstadt von Chur kommt es in den Fussgängerzonen immer wieder zu brenzligen Situationen. Darum greift die Stadtpolizei jetzt durch.
Foto: Keystone

In den Fussgängerzonen in Chur kann es für die Verkehrsteilnehmer eng werden. Passanten müssen sich den Platz mit Velofahrern und vereinzelten Autos teilen. Das führt immer wieder zu brenzligen Situationen und entsprechenden Reklamationen. Nun greift die Stadtpolizei durch.

Um die Verkehrssicherheit in der Fussgängerzone zu erhöhen, führen die Beamten seit diesem Frühjahr ein- bis zweimal pro Monat Geschwindigkeitskontrollen durch. Aber nicht wie üblich mit Radar- oder Lasermessgeräten, wie die «suedostschweiz.ch» berichtet. Nein, die Polizisten schätzen von blossem Auge ab, ob sich die Verkehrsteilnehmer an die erlaubte Geschwindigkeit halten oder eben nicht.

Velofahrer sehen es als Schikane

In der Churer Bevölkerung sei das Verständnis für die Kontrollen gross, sagt Emil Gartmann (54), Abteilungsleiter der Verkehrs- und Sicherheitspolizei von Chur, zu BLICK. «Wir haben die Anwohner und das Gewerbe vorgängig darüber informiert. Darum wussten viele, was auf sie zukommt.» Trotzdem habe es natürlich auch Beschwerden gegeben. «Schliesslich bezahlt niemand gerne eine Busse.»

Insbesondere Velofahrer hätten sich über die neue Kontrollart aufgeregt, viele empfanden sie als reine Schikane. «Sobald man ihnen aber erklärte, dass in der Fussgängerzone für alle Verkehrsteilnehmer nur Schritttempo erlaubt ist, hörten die Proteste in den meisten Fällen rasch auf.»

«Polizisten können das gut einschätzen»

Die reine Schätzung reiche in einer Fussgängerzone aus, sagt Gartmann. Dort dürfe man maximal mit Schritttempo, also rund 4 bis 7 km/h, unterwegs sein. «Erfahrene Polizisten können bei diesen Geschwindigkeiten gut einschätzen, ob jemand zu schnell ist.»

Es werde aber nicht jeder, der auch nur ein bisschen zu schnell fährt, sofort gebüsst, meint Gartmann. So genau könne diese Art der Kontrolle auch nicht sein. «Ein Verkehrsteilnehmer muss schon deutlich schneller als die Fussgänger unterwegs sein, damit sein Verhalten sanktioniert wird.»

Als Beispiel nennt er einen E-Bike-Fahrer, der sich mit mehr als 25 Sachen durch die Fussgänger schlängelt. Erwischte Velofahrer kriegen eine Ordnungsbusse von 30 Franken aufgebrummt, motorisierte Verkehrsteilnehmer werden gar verzeigt. Pro Kontrolle betraf das im Schnitt gegen acht Personen. Ab welchem Tempo genau eine Busse verhängt wird, und ob das alle Polizisten genau gleich handhaben, bleibt aber offen.

«Grundsätzlich gesetzeskonform»

Bussen austeilen, ohne elektronische Messung – dürfen die das? Der auf Strassenverkehrsrecht spezialisierte Anwalt Gian Reto Pedolin (50) sagt: Ja! «Ich halte das Vorgehen grundsätzlich für gesetzeskonform.» Polizisten hätten oft eine auf lange Erfahrung gründende Fähigkeit, Geschwindigkeiten zu bestimmen, sagt er. «Wird ein Polizeibeamter im Streitfall vernommen, kann es darum auch alleine auf Basis seiner Aussage zu einer Verurteilung kommen.»

Zumal oft argumentiert werde, dass ein Polizist sich mit einer falschen Anschuldigung strafbar machen würde, und darum einen Fall nicht ohne Grund zur Anzeige bringe.

In den nächsten Wochen will die Stadtpolizei Chur nun ein Fazit der Geschwindigkeitskontrollen in der Altstadt ziehen. Dann wird entschieden, ob sie in dieser Form weiterhin durchgeführt werden. (krj)

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