Bondos Schicksalstag vor einem Jahr beginnt trügerisch schön. Die Sonne scheint. Die Capanna Sasc Furä ist gut besetzt. «Wir ha tten etwa 30 Gäste», erinnert sich Heidi Altweger (61), «fast alle wollten zum Glück auf den Piz Badile.» Denn, so die Hüttenwartin, «wären sie ins Bondascatal abgestiegen, hätte es noch mehr Todesopfer gegeben.» Nur vier Tschechen marschieren in Richtung Tal los.
Auf der anderen Talseite liegt die Capanna Sciora. Von dort machen sich am Morgen des 23. August 2017 acht Wanderer auf den Weg. Zwei von ihnen, Gisela N. * (†46) und Ramon B. * (†41) aus Kestenholz SO, wollen weiter zur Capanna Sasc Furä (BLICK berichtete). «Sie hatten im Internet gebucht und waren auf dem Weg zu mir, als der Berg kam», erinnert sich Heidi Altweger.
Hüttenwartin bangt um vier tschechische Bergsteiger
Sie wartet vergebens auf das frisch verlobte Paar. Wie die anderen Wanderer, die nach dem Frühstück von der Sciora-Hütte nach Bondo GR absteigen, werden auch die Solothurner von den Geröllmassen des Bergsturzes überrollt und unter 30 Metern Fels begraben.
«Den ganzen Sommer über kam ein Grollen vom Cengalo», erzählt Heidi Altweger. «An diesem Morgen rief mich die Hüttenwartin der Capanna Sciora an und warnte: ‹Der ganze Berg kommt!›» Altweger erschrickt: «Oh, Gott, die Tschechen.» Doch die Gruppe kann von oben den Bergsturz beobachten. «Sie kamen geschockt zurück», erinnert sich die Hüttenwartin.
Die Saison ist abrupt zu Ende. Die Hubschrauber evakuieren die Gäste. «Die gebürtige Österreicherin bleibt bis zum 31. August. Dann wird auch Heidi Altweger ausgeflogen. «Vom Helikopter aus sah ich das ganze Ausmass der Katastrophe. Ich musste weinen.»
Gemeinde plant Ausbau von altem Jägerweg
Elf Jahre führt die gelernte Sozialpädagogin die Capanna Sasc Furä. «Dieser Job ist mein Traum. Ich liebe alles dort oben. Die Landschaft, den Piz Badile, die Arbeit und die Gäste aus aller Welt.» Nun sind alle Wanderwege von Bondo aus gesperrt. Heidis Hütten-Traum droht zu platzen.
«Nie wieder auf die Furä-Hütte? Diesen Gedanken lasse ich einfach nicht zu. Wir werden die Hütte wieder öffnen», sagt Altweger zuversichtlich, «es kann nicht sein, dass der Cengalo uns dieses Paradies nimmt.»
Gute Nachrichten kommen aus der Gemeinde Bregaglia. «Wir planen den Ausbau eines alten Jägerwegs ausserhalb der Gefahrenzone», sagt Vize-Gemeindepräsident Fernando Giovanoli zu BLICK, «die Mittel wären da. Wenn der Kanton zustimmt und das Wetter im Frühling mitspielt, dann könnte der neue Pfad bereits im kommenden Sommer fertig sein.» Dann gäbe es wieder einen Weg zu Heidis Paradies.