Die Einführung der Verhältniswahl (Proporz) ist in Graubünden ein politischer Dauerbrenner. Acht Mal wurde das System zwischen 1937 und 2013 an der Urne verworfen und die Mehrheitswahl (Majorz) bestätigt. Nun steht der nächste Urnengang an. Der Bündner Grosse Rat entschied am Dienstag nach zweitägiger Diskussion, die Proporzwahl nach dem Modell des doppelten Pukelsheims einzuführen.
Demnach sollen die Sitze der Parteien zuerst auf dem ganzen Kantonsgebiet ermittelt, danach proportional zur Bevölkerung auf die 39 Wahlkreise verteilt werden. Die Parteien müssen mindestens drei Prozent der Stimmen erreichen, um Sitze im Parlament ergattern zu können.
Mehrere Kantone wenden dieses Modell an, darunter der Kanton Zürich bei der Wahl des Kantonsrates oder die Stadt Zürich bei den Gemeinderatswahlen. Auch Schaffhausen und Aargau sowie mehrere Kantone in der Innerschweiz praktizieren den doppelten Pukelsheim.
Bis zuletzt mit allen Kräften gegen die Proporzwahl wehrte sich die CVP, nach der FDP die zweitstärkste Fraktion im Bündner Parlament. Sie favorisierte ein Mischmodell, das an der bisherigen Mehrheitswahl festhält mit Ausnahme der beiden bevölkerungsstärksten Wahlkreise Chur und Fünf Dörfer. Dort wäre nach dem Proporz gewählt worden.
Ganz freiwillig kommt es nicht zur neuerlichen Abstimmung über das Wahlmodell. Bei der Systemanpassung half das Bundesgericht nach.
Die Richter in Lausanne stellten im Juli 2019 fest, dass das Majorzverfahren in Graubünden zwar zum grossen Teil, aber nicht in allen Belangen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar ist.
Neu gewählt wird das Bündner Kantonsparlament am 15. Mai 2022. Bis dahin muss die Frage des Wahlverfahrens geklärt sein. Die stärkste Fraktion im Grossen Rat stellt derzeit die FDP mit 36 Mitgliedern, vor der CVP (30), der BDP (23), der SP (19) sowie der SVP (9). Drei Ratsmitglieder von der GLP gehören keiner Fraktion an.
Nicht abgestimmt wird dagegen über die bereits eingereichte Volksinitiative «Für die Verkleinerung des Grossen Rates - 90 sind genug». Die SP gab bekannt, die Initiative werde zurückgezogen, nachdem sich der Grosse Rat für das Proporzsystem ausgesprochen habe.
(SDA)