Ein gigantischer Bauskandal erschüttert das beschauliche Bündnerland. Bauunternehmen sollen sich über Jahre hinweg bei Offerten im Hoch- und Tiefbau abgesprochen haben. Die Unternehmen legten sogar fest, wer den Zuschlag erhalten soll. Die Weko hat sieben Firmen mit rund 7,5 Millionen Franken gebüsst.
Regierung ist «konsterniert» – und reagiert
Jetzt reagiert die Bündner Regierung: «Der Kanton, die betroffenen Gemeinden und auch Private wurden mutmasslich ganz erheblich geschädigt. Die Regierung ist über das Ausmass dieser Machenschaften konsterniert. Preisabsprachen sind rechtswidrig und nicht tolerierbar», schreibt Regierungspräsident Mario Cavigelli (CVP) in einer Mitteilung.
Er will nun gegen die Firmen vorgehen: «Der Kanton wird nach gewährter Einsicht in die Verfahrensakten alle submissions-, zivil- und strafrechtlichen Schritte prüfen und gegen fehlbare Firmen rechtlich vorgehen», so Cavigelli weiter.
Der Skandal ist auch ein politischer. Denn die Abreden wurden zum Teil an den vom bündnerischen Baumeisterverband organisierten Vorversammlungen getroffen. Der Baumeisterverband muss laut Weko-Verdikt die Verfahrenskosten tragen, da er zum Teil an der Organisation dieser Kartelle beteiligt war.
Karriere von BDP-Regierungsratskandidat Felix am Ende?
Geschäftsführer des Bündner Baumeisterverbandes ist Andreas Felix, Präsident der Bündner BDP und Kandidat für die Regierungsratswahlen im Juni. Indizien für Absprachen hatte auch Regierungsrat Volkswirtschaftsdirektor Jon Domenic Parolini, ebenfalls BDP.
Die Partei beriet sich heute Morgen in einer Telefonkonferenz. In dieser Krisensitzung wurden die weiteren Schritte besprochen.
Die BDP hält an ihrem Regierungsratskandidat Felix fest: «Die Weko hat das Verfahren gegen den Baumeisterverband eingestellt. Deshalb sieht die BDP keinen Handlungsbedarf bezüglich der Regierungsratskandidatur von Andreas Felix», sagt der BDP-Fraktionschef im Bündner Parlament, Gian Michael. «Felix ist ein loyaler und ehrlicher Mensch und er wäre zu hundert Prozent ein guter Regierungsrat.»
«Tomaten auf den Augen»
Das Magazin «Republik» hat Details zu den Absprachen publik gemacht. Beide BDP-Politiker bestreiten, von den Absprachen gewusst zu haben. Wenn man ihm etwas vorwerfen könne, dann höchstens, dass er «Tomaten auf den Augen gehabt» habe. Gestern sagte Felix zudem zu «RTR», er habe keine Hinweise gehabt, das Preisabsprachen passiert seien. Und die «Republik» habe eine «Lügengeschichte» geschrieben, die jeglicher Grundlage entbehre.
Auch nach dem heutigen Weko-Verdikt bleibt Felix dabei: Der Baumeisterverband habe diese Treffen zwar organisiert, aber nicht gewusst, was an diesen Versammlungen alles besprochen worden sei, sagte er an einer Pressekonferenz in Chur. Und weiter: «Ich bleibe Regierungsratskandidat.»
Die «Republik» wirft auch BDP-Regierungsrat Jon Domenic Parolini vor, von den Preisabsprachen schon 2009 erfahren und nicht reagiert zu haben. Als damaliger Gemeindepräsident von Scuol.
«Zu dürftige Beweislage»
Zu BLICK sagt Parolini, er habe als Gemeindepräsident nie an einem Treffen oder einer Sitzung teilgenommen, bei der Preisabsprachen diskutiert oder verhandelt worden seien. Er bestätigt, dass der Whistleblower Adam Quadroni 2009 entsprechende Anschuldigungen bei der Gemeinde Scuol vorgetragen habe.
Aber: «Ich habe Herrn Quadroni seinerzeit um Herausgabe der Akten gebeten, damit die Gemeinde die Vorwürfe prüfen könne. Dies hat Herr Quadroni abgelehnt. Auch in der Folge hat Herr Quadroni keine Dokumente der Gemeinde zukommen lassen oder seine Anschuldigungen weiter konkretisiert», so Parolini.
Die behaupteten Preisabsprachen seien in der Folge im Gemeindevorstand thematisiert worden, so der BDP-Regierungsrat weiter. «Aufgrund der nach damaliger Beurteilung zu dürftigen Beweislage haben wir von der Einleitung rechtlicher Schritte bzw. einer Anzeige bei der Weko abgesehen.»
Erneuter Tiefschlag für Krisen-BDP
Graubünden ist eine der letzten drei Hochburgen der BDP. Dass nun ein Regierungsratskandidat und ein amtierender Regierungsrat in einen krassen Kartellfall involviert sein könnten, dürfte auch Parteichef Martin Landolt Sorgen bereiten. Der Skandal habe nichts mit der politischen Arbeit der BDP oder ihren Positionen zu tun, sagte Landolt gegenüber dem Online-Portal «Watson».
Im Gegensatz zu Felix und Parolini will Landolt die Artikelserie der «Republik» nicht als inkorrekt bezeichnen, spricht aber doch von einer subjektiven Perspektive. Regierungsratskandidat Felix spricht er weiter sein Vertrauen aus: «Ich kenne beide schon seit Jahren und habe nicht den geringsten Anlass, an ihrer Darstellung der Ereignisse zu zweifeln.»