Der Arbeitstag der Behörde beginnt um 6.15 Uhr und endet erst am späten Abend. Schon seit längerem geht das so. «Ende Dezember werden wir in Graubünden bis zu 1150 Asylbewerber haben», sagt Amtsleiter Marcel Suter (50). «Das sind knapp doppelt so viele wie 2014. Im neuen Jahr wird die Zahl sicher noch steigen.»
Der Migrationsamts-Chef und sein Mitarbeiter Georg Carl (50) suchen Unterkünfte. Händeringend. Leere Hotels, Ferienanlagen, Personalhäuser. «Wenn es sein muss, auch Schulen und Turnhallen», sagt Marcel Suter. In Amtsdeutsch: Kollektivunterkünfte aller Art. «Wir brauchen einen Eventualplan, falls die grosse Flüchtlingswelle auch die Schweiz erreicht und wir bis zu 1000 Menschen an einem Tag unterbringen müssten.»
Sechs neue Unterkünfte haben Suter und Carl bislang ausfindig gemacht. Darunter ehemalige Hotels wie das Hostel Cucagna in Disentis und das Gasthaus Bahnhof in Trimmis. Dazu die Gruppenunterkünfte Valbella in Litzirüti bei Arosa und die Chasa Muntalla im Münstertal. Auch Zivilschutzanlagen werden reaktiviert.
Bund und Kanton stiessen schon jetzt an ihre Grenzen, warnt Marcel Suter. Sein Appell: «Wir brauchen jede Unterstützung der Bevölkerung.» Georg Carl ergänzt: «Es geht nicht nur um die Unterbringung. Die Flüchtlinge müssen auch betreut und integriert werden.»
Die Männer vom Migrationsamt sind vorsichtig optimistisch. «Die Solidarität der Bürger steigt täglich», sagt Marcel Suter. Er meint Menschen wie Nina Spescha (37) aus Chur. Die Mutter von zwei Kindern macht seit September bei der Facebook-Gruppe «Bündner helfen Flüchtlingen» mit. Auch Tagesmutter Ana Hemmerle (22) aus Vaduz, Shop-Managerin Michelle Bleisch (23) aus Mels SG sowie Andrea Crameri, Kauffrau aus Domat/Ems GR, engagieren sich. «Wir sammeln Kleider, Spielsachen und so banale, aber wichtige Dinge wie Backbleche oder Rollboxen», sagt Nina Spescha.
Zweimal im Monat besuchen die Frauen Asylbewerberheime, helfen beim Deutschlernen oder übernehmen Behördengänge und verteilen Spenden. Besonders die Kinder liegen den Helferinnen am Herzen. «Wir haben im Transitzentrum Schluein Guetsli gebacken. Das kam super an», sagt Ana Hemmerle. Im Kofferraum von Speschas Auto liegt ein Babybett. «In Laax wurde am Freitag ein Bub geboren. Wir freuen uns auf den kleinen Lavi», sagt Michelle Bleisch.
Was die Flüchtlinge aber am meisten bräuchten, seien Freundschaft und Vertrauen, weiss Nina Spescha. Das Ehrenamt verlange einiges, «doch es kommt so viel zurück. Die Menschen sind unglaublich dankbar und liebenswert.»
Erst im August war die Bündner Hilfsgruppe ins Leben gerufen worden. Einen Monat später hatte die Facebook-Seite schon über 1000 Mitglieder. Nina Spescha: «Ich hatte zur Kleiderspende aufgerufen. Eine Woche später war meine Wohnung voll mit Säcken.» Dennoch: Richtig mit anpacken würden immer noch zu wenige. Die drei Freundinnen rufen deshalb auf: «Liebe Bündner, helft uns, helft den Flüchtlingen!»