Die Entwicklung des Zürcher Ingenieurs Ernst Gustav Constam hatte zunächst einen J-förmigen Bügel, den sich eine einzige Person unter das Gesäss klemmen konnte. Der 270 Meter lange Lift am Bolgenhang des Jakobshorns in Davos war sofort ein Erfolg und verbuchte in der ersten Saison 70'000 Schleppfahrten.
Schon auf den zweiten Winter hin hatte der Davoser Skilehrer Jack Ettinger die simple, aber bahnbrechende Idee, den J-Bügel durch einen T-förmigen Doppelbügel zu ersetzen. Der sogenannte «Anker» verdoppelte die Kapazität des Liftes und bereicherte ihn um einen Romantikfaktor. Über Jahre wurde der Ankerlift als «Sie-und-Er-Lift» beworben.
Reifere Semester schwärmen noch heute von den Flirt-Möglichkeiten und vielen netten Begegnungen am Doppelbügel. Auf den modernen 6er-Sesselliften hingegen hülle man sich meistens in Schweigen. Die Kleingruppengrösse der kurzzeitigen Zwangsgemeinschaft hemme die Kontaktfreude.
Viele Skilehrerinnen und Skilehrer schwören ebenfalls auf den Bügellift. Er verlängert die tatsächlich auf den Skis verbrachte Zeit und trainiert die Koordination. Als Nebeneffekt bekommen Ungeübte allerdings auch ein Training in Konfliktbewältigung.
Anfänger kämpfen mit Einstieg oder «Entsorgung»
Ob Kinder oder gestandene Ehepaare, über die Position des Bügels, der Füsse oder die Frage, wer nun wen an den Trasseerand drückt, lässt sich viele Hundert Höhenmeter lang angeregt diskutieren. Bis zur erlösenden Bergstation oder dem Moment, wo das zankende Duo vom unaufhaltsam bergwärts strebenden Bügel in ein lustiges Mikado aus Skis, Stöcken und vielen Gliedmassen verwandelt wird.
Skiliftfahren will eben gelernt sein. Erwachsene Anfänger finden sich oft schon am Einstieg überrascht auf dem Boden wieder – nach dem Versuch, sich auf den T-Bügel zu setzen. Kinder bekunden eher mit der «Entsorgung» des schweren Bügels beim Ausstieg Mühe und entschweben hin und wieder über die Plastikstangen am Ende der Liftspur.
Kein Wunder, wird in Skischulen «sicheres Liftfahren» grossgeschrieben. Für Skilehrende sind die Lift-Lektionen eine unerschöpfliche Quelle an Anekdoten. Zu den Dauerbrennern gehört das verspätete Erscheinen zum Essen, weil es die Klasse ausgerechnet zur Mittagszeit erst im dritten Anlauf zum Bergrestaurant hoch schafft.
Spannend wird es für Kinderskilehrerinnen und -lehrer, wenn der Bügellift die halbe Kinderklasse über die gesamte Liftlänge verteilt im Tiefschnee zurücklässt und die erfolgreiche Klassenhälfte im beissenden Wind bei der Bergstation ausharren muss.
Romantik für Snowboarder-Pärli
Eine echte Herausforderung stellt der Bügellift für Snowboarder dar. Zum Einsteigen müssen sie einen Fuss aus der Bindung nehmen und bei langen Liften drückt der Bügel schmerzhaft gegen den Oberschenkel.
Während Boarderpärchen auch der «Löffelchen-Position» auf dem «Sie-und-Er-Lift» durchaus Romantik abgewinnen können, fahren Unbekannte schon mal in verwirrend inniger Umarmung hoch. Richtig «Action» erleben gestürzte Boardende, wenn sich der T-Bügel im Bein-Board-Winkel verhakt und sie hilflos auf dem Rücken zappelnd den Berg hochschleppt.
Viele Schneesportgebiete haben nicht zuletzt wegen des Snowboard-Booms die Ankerlifte ab den 1990er-Jahren zunehmend durch Sessellifte ersetzt. Lange Bügellifte sind aus grossen Skigebieten nahezu verschwunden. Moderne Sesselbahnen punkten neben dem Komfort mit grösserer Kapazität und Geschwindigkeit sowie der Unabhängigkeit von Schnee.
Dennoch machen Bügellifte immer noch fast die Hälfte (44 Prozent) der 1650 Seilbahnanlagen in der Schweiz aus, kleine Seillifte und Transportbänder nicht eingerechnet. Ein grosser Teil steht in tiefgelegenen Skigebieten der Voralpen, für die sich wegen der Schneeunsicherheit Investitionen in Sessellifte nicht lohnen. In den Alpen haben Ankerlifte aus Kostengründen vor allem in kleinen Gebieten eine Zukunft.
Auch in Anfängerzonen sind Schlepplifte ideale Lösungen und in Fun-Parks. Ausgerechnet die trendbewussten, jungen Freestyle-Fahrerinnen und -Fahrer werden noch lange in den Genuss der altmodischen Sie-und-Er-Romantik kommen.