Er nennt es seinen Kommandoposten, das Büro im Dachgeschoss in der Casa communala von Sedrun GR. Eine Vorzimmerdame hat es nicht. Aber einen nagelneuen Spannteppich. In Königsblau. Immerhin.
Seit hundert Tagen ist der Zuger Beat Roeschlin (60) nun Gemeindepräsident der Bündner Grossgemeinde Sedrun-Tujetsch. «Eigentlich sollte es eine 50-Prozent-Stelle sein», sagt Roeschlin, «doch mittlerweile bin ich fünf, sechs Tage pro Woche hier oben.»
Der ehemalige internationale Topmanager bewarb sich, als das Dorf mit 1838 Einwohnern einen neuen Gemeindepräsidenten suchte. Schweizweit, weil kein Einheimischer das Amt übernehmen wollte.
Beat Roeschlin kannte die Gegend als Tourist – und wurde mit 98 Prozent gewählt. Die erste Amtshandlung des neuen Präsi ist drastisch: Er kündigt den Tourismus-Vertrag mit Disentis GR. Und schliesst einen neuen mit Andermatt UR.
«Wir müssen uns bis nach Andermatt in den Kanton Uri ausrichten. Das 400 Millionen Franken teure Skigebiet reicht bis zu uns. Da liegt die Zukunft», sagt Betriebswirt Beat Roeschlin – und schert sich weder um Kantonsgrenzen noch um Lokalpatriotismus oder bockige Platzhirsche. «Wir brauchen hier ein Produkt, ein Ziel, einen Inhalt. Aber keine schwammige Politik. Ich weiss, ich bin für einige bereits der böse Bube.»
Aus Sedrun-Disentis-Tourismus wird also nun Andermatt-Sedrun-Tourismus. Auch den Tujetscher Gemeinderat will Roeschlin auflösen. «Da sitzen Spitzenleute, Anwälte und Unternehmer. Ich will, dass sie richtig mit anpacken. An der Front in der Exekutive», sagt der Ex-CEO, der 20 Jahre in den USA gearbeitet hat.
Die Kantonsgrenze sei kein Argument. «Wir konkurrieren mit der Türkei, mit Bali, mit Amerika und auch mit den hochdynamischen Bergtourismus-Regionen im benachbarten Europa», so Roeschlin. Gemeindeschreiber Lucas Collenberg, (34) sagt über den Gemeindepräsidenten: «Der macht das schon gut. So einen brauchen wir hier.»
Roeschlin ist überzeugt: «Unsere Region könnte bald zu den Top fünf der Schweizer Wintersportdestinationen zählen. Wird diese Chance jedoch verpasst, droht die Gegend in 50 Jahren auszusterben.»