Der Schutt bleibt noch lange liegen
Geisterdorf Bondo

Bondo gleicht einem Geisterdorf. Bis die Bewohner wieder alle nach Hause gehen können, wird viel Zeit vergehen.
Publiziert: 27.08.2017 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:14 Uhr
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Schwierige Aufräumarbeiten: Lastwagen und Bagger auf dem riesigen Schuttkegel in Bondo.
Foto: GIANCARLO CATTANEO
Marlene Kovacs und Anian Heierli

Ein Knall schallt durchs Tal. In Bondo GR werden Felsen gesprengt, um ihren Abtransport zu ermöglichen. Lastwagen und Bagger bahnen sich einen Weg durch die Geröllmassen. «Aktuell laufen immer noch Sicherungsarbeiten», sagte Roman Rüegg (47), Sprecher der Kantonspolizei Graubünden, gestern zu BLICK. Das Auffangbecken muss entleert werden, damit weitere Schlammmassen Platz haben, falls wieder Geröll den Hang herunterkommt. Ein Helikopter kreist über dem Tal. Ansonsten gleicht Bondo einem Geisterdorf. «Selbst Einwohner, die in der grünen Zone wohnen, übernachten seit dem Bergsturz nicht mehr in ihren Häusern», sagt Rüegg.

«Zu gefährlich, dort zu wohnen»

Auch Geologe Beat Keller (61) glaubt nicht, dass alle Bewohner schon bald wieder im Dorf leben können. «Es kann sein, dass noch monatelang Murgänge herunterkommen. Zwar ist das grösste Ereignis mit dem Bergsturz vorbei», schätzt der Experte aus Luzern die Situation vor Ort ein. Trotzdem seien Folgeereignisse zu erwarten, wenn auch von geringerem Ausmass. «Deshalb gehe ich davon aus, dass nicht alle Bewohner zeitnah in ihre Häuser zurückdürfen.» Man werde dieses Risiko einfach nicht eingehen, solange nicht alles sicher sei.

Laut Keller liegt das Augenmerk nun darauf, künftige Risiken genau zu beurteilen. «Der Bund hat hierfür ein konkretes Regelwerk. Dabei stellt sich die Frage, wo die kritischen Zonen sind und wo nicht», erklärt Keller. Ziel sei es, eine neue Gefahrenkarte zu erstellen. «Ich denke, dass es entlang der Murenabgänge eine rote Zone hoher Gefährdung geben wird und deshalb die Häuser dort nicht mehr aufgebaut beziehungsweise genutzt werden dürfen. Es wäre zu gefährlich, dort zu wohnen.» Keller weiss: «Bis in Bondo wieder Alltag herrscht, kann es Jahre dauern.» Ab dem Zeitpunkt, wo klare Entscheidungsgrundlagen vorlägen, komme es vor allem darauf an, wie viel und wie schnell in den Aufbau investiert werde.

Schutz vor weiteren Murgängen

Bei der Polizei steht nun der Schutz des Dorfs vor weiteren Murgängen im Zentrum. Untersucht wird aber auch, ob genügend auf diese Naturgefahren hingewiesen wurde, beispielsweise mit Warnschildern.

Die Suche nach den acht Vermissten ist bereits am Freitagabend eingestellt worden. Die beiden Schweizer Ramon B.* (41) und Gisela N.* (46) bleiben verschwunden. Auch von den beiden Österreichern aus Graz und den vier Deutschen aus Baden-Württemberg fehlt jede Spur.

Kaum Hoffnung, die Opfer zu finden

Laut Geologe Keller ist es ohnehin sehr unwahrscheinlich, noch irgendetwas von den Vermissten zu finden. «Vier Millionen Kubikmeter Fels stürzten in den letzten Tagen hinab. Da wird praktisch alles darunter zermalmt», sagt der Experte. «Ein grosser Mensch misst ungefähr 0,075 Kubikmeter. Es muss schon ein grosser Zufall sein, wenn doch noch irgendwelche menschlichen Überreste gefunden werden. Vor allem dort, wo der Hauptprozessraum war.»

* Namen der Redaktion bekannt

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