Davos Tourismus klagt an
Vertreiben orthodoxe Juden andere Feriengäste?

In Davos GR ist erneut ein Streit um jüdisch-orthodoxe Feriengäste entbrannt: Offenbar stören sich andere Touristen so sehr an ihnen, dass sie den Kurort künftig meiden wollen.
Publiziert: 04.08.2018 um 14:24 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 17:23 Uhr
Orthodoxe Juden sorgen laut dem Davoser Tourismusdirektor für «anhaltende Reklamationen» (Symbolbild).
Foto: JACK GUEZ

Davos ist ein beliebtes Ferienziel für orthodoxe Juden aus aller Welt. Mit ihrem Verhalten sollen sie aber teilweise Einheimische und andere Touristen vor den Kopf stossen. So schreibt es jedenfalls der Davoser Tourismusdirektor Reto Branschi in einem Brief. «Bedauerlicherweise haben wir von anderen Gästen in jüngster Vergangenheit vermehrt negative Rückmeldungen erhalten», heisst es in dem Schreiben, das der «Südostschweiz am Wochenende» vorliegt. «Ein Teil dieser Gäste will die Destination Davos Klosters im Sommer künftig sogar meiden.»

Bei der Davoser Tourismusorganisation seien etwa Beschwerden eingegangen, dass Windeln und anderer Abfall von orthodoxen Gästen «einfach im Wald zurückgelassen werden». Zudem würden Gästekarten, die eine kostenlose Benützung der Bergbahnen ermöglichen, von orthodoxen Juden überdurchschnittlich oft als verloren gemeldet. Dies könnte auf einen Missbrauch hindeuten.

Branschi hat den Brief persönlich an Rafael Mosbacher gerichtet, der seit Jahren sein Ansprechpartner für die Belange jüdischer Gäste in Davos ist. Dieser hat das Schreiben dem Zeitungsbericht zufolge auf Hebräisch übersetzt und im Internet veröffentlicht.

Unterstützung vom Israelitischen Gemeindebund

Der Davoser Tourismusdirektor möchte nun wegen der «anhaltenden Reklamationen» gemeinsam eine Lösung finden. Unterstützung bekommt er dabei vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG). «Es handelt sich um Tatsachen», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner in der «Südostschweiz am Wochenende». Der Brief sei sehr direkt formuliert, betreffe aber keine Lappalien. Die beiden haben sich bereits in Davos getroffen, um Lösungen zu suchen.

Der Inhalt des Briefes habe nichts mit Antisemitismus zu tun, stellt Kreutner klar. Die Probleme beträfen explizit das Verhalten ultraorthodoxer Juden aus dem Ausland. «Es hat überhaupt nichts mit Religion zu tun, sondern mit normalem Anstand». 

Manchmal komme es auch zu Missverständnissen wegen religiöser Gebote. Etwa gebe es jüdische Männer und Frauen, die zur Begrüssung nicht die Hand reichten. Man könne Verständnis schaffen, indem man sowohl Einheimische und jüdisch-orthodoxe Gäste aufkläre, so Kreutner. 

«An unsere jüdischen Gäste: Bitte duschen Sie»

Bereits letztes Jahr gab es Aufregung im Zusammenhang mit jüdischen Gästen in Graubünden. Die Abwartin eines Hotels hat im Hallenbad ein Plakat aufgehängt: «An unsere jüdischen Gäste: Bitte duschen Sie vor und nach dem Schwimmen in unserem Schwimmbad. Tun Sie das nicht, bin ich gezwungen, das Schwimmbad für Sie zu schliessen», stand da auf Englisch.

Das Plakat sorgte weltweit für Empörung, die Frau wurde als Antisemitin an den Pranger gestellt. Sie wurde mit Anrufen und Hass-Briefen eingedeckt, das Hotel wurde von Plattform booking.com gesperrt. «Ich musste bitter bezahlen», sagte die Abwartin zu BLICK.

Lösungsansätze für Probleme im Zusammenhang mit jüdischen Feriengästen werden ausgearbeitet. So will der SIG nächsten Sommer Info-Material an die Tourismusbranche und an die orthodoxen Gäste abgeben, um Missverständnisse zu vermeiden – und möglicherweise jüdische Auskunftspersonen nach Davos schicken, die aktive Aufklärungsarbeit leisten. (rey)

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