Werner Seiler (61) zeigt auf die Wohnhäuser hinter seinem Restaurant und schüttelt ungläubig den Kopf: «Der Besitzer dieser Immobilien zerstört vom Unterland aus mein Geschäft und unser Dorfleben.»
Seit 20 Jahren führt Seiler die legendärste Après-Ski-Bar von Davos GR, das Bolgen Plaza. Hier treffen sich Einheimische, Touristen und am WEF sogar internationale Polit- und Wirtschaftsgrössen. Doch jetzt platzt das Wintermärchen vom Fondue-Plausch am Pistenrand. Der Gastbetrieb muss neu schon um 19 Uhr schliessen.
Schuld ist ein lärmempfindlicher Zürcher mit Davoser Wurzeln. Ihm gehören die Häuser hinter dem Bolgen Plaza. Vor Bundesgericht erzwang er das frühe Lichterlöschen. Der Geschäftsmann nutzt selber eine der Ferienwohnungen und fühlte sich von angeblichen nächtlichen Partys belästigt. Für Gastwirt Seiler sind diese Vorwürfe haltlos: «Weil er schon früher reklamierte, schliessen wir seit drei Jahren konsequent um 23 Uhr.» Der Bündner doppelt nach: «Komischerweise kommen alle Beschwerden immer nur von dieser einen Person. Wir überschreiten auch den Richtwert von 80 Dezibel nicht.» Das überwache man sogar extern.
Seiler steht mit seiner Wut nicht allein da. Vielen Einheimischen geht komplett das Verständnis für den Gerichtsbeschluss aus Lausanne ab: «Die Schreibtischtäter zerstören mit solchen Entscheiden unsere Lebensader», sagt Skilegende Paul Accola (49). Für ihn ist das eine Katastrophe: «Davos braucht die Gäste. Das können wir uns nicht leisten. Als Nächstes müssen wir noch das Jakobshorn und die Parsenn schliessen.»
Auch Tourismusdirektor Reto Branschi (57) ballt die Hand im Sack zur Faust: «Ich bin mir sicher, dass die Herren Richter nie hier waren und keinen Fuss auf die Piste setzten.» Anders kann er sich das praxisfremde Urteil nicht erklären. «Das Bolgen Plaza ist kein Halligalli-Betrieb», sagt er. «Die Küche hat einen guten Namen. Viele kommen wegen des Essens und im Sommer feiert man hier sogar Hochzeiten.» Damit ist jetzt ebenfalls Schluss. Das frühe Lichterlöschen gilt das ganze Jahr.
Ganz geben sich die Bündner noch nicht geschlagen. Die Steinböcke wetzen ihre Hörner: «Eine einzelne Person darf doch nicht über so viel Macht verfügen», sagt Vidal Schertenleib (29), Immobilien-Leiter der Davos Kloster Bergbahnen. «Wir prüfen nun jede Möglichkeit, um gegen den Beschluss vorzugehen.» Bislang weiss aber niemand so genau, wie man überhaupt gegen einen Bundesgerichts-Beschluss ankommt. Nur eines ist allen klar: «Grosse Verlierer sind sowohl wir Einheimischen als auch unsere Gäste.»
Wie schwer Einzelne Unternehmern und Einheimischen das Leben machen können, weiss Hans-Peter Danuser (69). «Dieses Problem hatten wir immer schon, nicht nur mit Zweitwohnungsbesitzern», sagt der ehemalige Kurdirektor St. Moritz GR. Der Skitourismus stagniere ohnehin. Da sei es schade, wenn Attraktionen wie das Bolgen Plaza auch noch wegfallen. Der Tourismusmanager fordert mehr Toleranz: «Wer im Feriengebiet wohnt, sollte kulanter sein.»
Aber nicht nur Gastronomen werden regelmässig Opfer empfindlicher Nachbarn. Auch Baugesuche können Private teilweise über Jahre blockieren, wie ein Fall aus Arosa GR zeigt. Dort soll ein altes Holzhaus abgerissen und neu gebaut werden. Das erste Baugesuch wurde im Frühling 2012 eingereicht und alle Einsprachen abgelehnt. Doch eine ausländische Zweitwohnungsbesitzerin aus dem Nachbarhaus blieb hartnäckig und zog den Fall weiter. Nach über zwei Jahren Querelen zogen die Hausbesitzer ihr Baugesuch zurück und liessen neue Pläne für das alte Haus erstellen. Auf das neue Baugesuch erhob die gleiche Nachbarin wiederum Einsprache.
Das Kuriose: Während des ersten Verfahrens hatte die Frau ihren Kontrahenten angeboten, ihre Zweieinhalbzimmerwohnung zu kaufen. Für 800 000 Franken, fast doppelt so viel wie der eigentliche Wert. Die Eigentümer lehnten dankend ab. Das Verfahren läuft weiter.
Jessica von Duehren
Wie schwer Einzelne Unternehmern und Einheimischen das Leben machen können, weiss Hans-Peter Danuser (69). «Dieses Problem hatten wir immer schon, nicht nur mit Zweitwohnungsbesitzern», sagt der ehemalige Kurdirektor St. Moritz GR. Der Skitourismus stagniere ohnehin. Da sei es schade, wenn Attraktionen wie das Bolgen Plaza auch noch wegfallen. Der Tourismusmanager fordert mehr Toleranz: «Wer im Feriengebiet wohnt, sollte kulanter sein.»
Aber nicht nur Gastronomen werden regelmässig Opfer empfindlicher Nachbarn. Auch Baugesuche können Private teilweise über Jahre blockieren, wie ein Fall aus Arosa GR zeigt. Dort soll ein altes Holzhaus abgerissen und neu gebaut werden. Das erste Baugesuch wurde im Frühling 2012 eingereicht und alle Einsprachen abgelehnt. Doch eine ausländische Zweitwohnungsbesitzerin aus dem Nachbarhaus blieb hartnäckig und zog den Fall weiter. Nach über zwei Jahren Querelen zogen die Hausbesitzer ihr Baugesuch zurück und liessen neue Pläne für das alte Haus erstellen. Auf das neue Baugesuch erhob die gleiche Nachbarin wiederum Einsprache.
Das Kuriose: Während des ersten Verfahrens hatte die Frau ihren Kontrahenten angeboten, ihre Zweieinhalbzimmerwohnung zu kaufen. Für 800 000 Franken, fast doppelt so viel wie der eigentliche Wert. Die Eigentümer lehnten dankend ab. Das Verfahren läuft weiter.
Jessica von Duehren
Das meint BLICK-Chefredaktor Peter Röthlisberger:
Was für ein ärgerliches Urteil der Lausanner Richter! Die Tyrannei eines einzelnen Feriengastes siegt über die Bedürfnisse Tausender Einheimischer und Gäste. Das Bundesgericht gewichtet seine Nachtruhe höher als den wichtigsten Davoser Wirtschaftszweig.
Après-Ski im Bolgen Plaza ist ein Magnet für die ganze Tourismusregion, bringt Gäste, Übernachtungen, sichert Arbeitsplätze. Die gültige Rechtsprechung belohnt Einsprachewütige mit dem Willen zum Marsch durch die Gerichtsinstanzen. Österreichs Touristiker werden auf das Gerichtsurteil anstossen.
Wie lässt es sich verhindern, dass Gerichte anderen geschätzten Institutionen wie dem Bolgen Plaza den Stecker ziehen? Eine Einsprache ist heute grundsätzlich kostenlos. Das ist falsch. Eine Einsprache soll kosten! Ist sie berechtigt, müssen dem Kläger natürlich nicht nur wie heute die Gerichtskosten, sondern auch die Einsprachegebühr zurückbezahlt werden. Aber die Einstiegshürde, die muss höher werden.
Das meint BLICK-Chefredaktor Peter Röthlisberger:
Was für ein ärgerliches Urteil der Lausanner Richter! Die Tyrannei eines einzelnen Feriengastes siegt über die Bedürfnisse Tausender Einheimischer und Gäste. Das Bundesgericht gewichtet seine Nachtruhe höher als den wichtigsten Davoser Wirtschaftszweig.
Après-Ski im Bolgen Plaza ist ein Magnet für die ganze Tourismusregion, bringt Gäste, Übernachtungen, sichert Arbeitsplätze. Die gültige Rechtsprechung belohnt Einsprachewütige mit dem Willen zum Marsch durch die Gerichtsinstanzen. Österreichs Touristiker werden auf das Gerichtsurteil anstossen.
Wie lässt es sich verhindern, dass Gerichte anderen geschätzten Institutionen wie dem Bolgen Plaza den Stecker ziehen? Eine Einsprache ist heute grundsätzlich kostenlos. Das ist falsch. Eine Einsprache soll kosten! Ist sie berechtigt, müssen dem Kläger natürlich nicht nur wie heute die Gerichtskosten, sondern auch die Einsprachegebühr zurückbezahlt werden. Aber die Einstiegshürde, die muss höher werden.