Den letzten Samstag wird Paul Zünd (43) länger in Erinnerung behalten. Er wirtete gerade in seinem wie häufig gut besuchten Hotel-Restaurant Belfort in Alvaneu GR, als er eine Extrawurst braten sollte – im übertragenen Sinne jedenfalls: Eine junge Dame fragte, ob es das Zucchettipiccata mit mediterranem Gemüse und Kräuterkartoffeln auch vegan geben würde.
Zünd verneinte, da in einer Piccata immer Ei und Käse drin seien und im mediterranen Gemüse eingelegte Artischocken, also Essig. Da verlangte der Gast nach einem Gemüseteller, den Zünd nicht im Angebot hat: «Der Gemüseteller, wie man ihn an manchen Orten erhält, ist weder ausgewogen noch originell und auch nicht übermässig gesund, weshalb ich ihn nicht anbiete», sagt der Hotelier zu BLICK.
Als Alternative habe er der Dame drei vegane Gerichte angeboten, die von ihr aber allesamt abgelehnt wurden. Die Frau bestellte anschliessend eine Portion Pommes. Nach dem Restaurantbesuch machte sich ihr Partner daran, eine sehr negative Rezension bei Google zu verfassen, in der Zünd für sein Verhalten kritisiert wurde, schreibt «watson».
Was ist fair?
Zünd konterte die Bewertung: «Wenn man als Veganer die angebotenen veganen Gerichte verschmäht und deswegen aus einer Laune heraus einen von fünf Sternen verteilt, dann ist das schlicht und einfach nicht fair; fair wäre es auch dem Restaurant gegenüber, wenn man reservieren würde, damit sich ein Restaurant oder wie in unserem Fall der Alleinkoch dementsprechend vorbereiten kann. Vegan kochen bedeutet nämlich, neben allen Vorbereitungsarbeiten für das bestehende Angebot nochmals bei null anzufangen, um eine Kontamination zu verhindern.»
Daraufhin meldete sich die Frau selber, eine Medizinstudentin, wie sie schreibt: «Fair ist es nicht, Gemüse als ungesund und unausgewogen zu bezeichnen, während nebenan Fleisch auf Speck mit Pommes serviert wird, meiner Meinung nach einfach eine Ausrede.»
Der Streit ging noch eine Weile weiter und wurde fleissig geklickt und geteilt. Viele Zusprüche und sehr gute Bewertungen für den Wirt konterten die negativen Kritiken.
«Das weiter zu verrechnen, getraut sich noch keiner»
Zünd sagt zu BLICK, er sei von den positiven Reaktionen überwältigt gewesen. Mit den Kritikern habe er keinerlei Probleme, das würde es ab und an geben. Es sei aber ein Trend, dass Kunden nur aus einer Laune heraus eine Extrawurst wollen. «Sie sagen beispielsweise, sie leiden an Zöliakie. Dann gehe ich in die Küche, koche alles neu und muss feststellen, dass der Gast zum Salat Brot und zum Dessert Gebäck isst.» Das sei respektlos und müsse im Prinzip weiterverrechnet werden. «Aber das getraut sich noch keiner».
Es hätten dafür Restaurants begonnen, nur noch gegen Arztzeugnis auf Allergien und spezielle Kostformen einzugehen, weil die Rechnung mit all den «Tagesveganern und Tagesallergikern» nicht mehr aufgehe. Und zum spezifischen Gast meint er: «Es sind Leute wie sie, die Gastronomen dazu bewegen (werden), dem ganzen Vegan-Zirkus aus dem Weg zu gehen, weil es gar nicht um die vegane Ernährung geht – was ohnehin ein absoluter Irrsinn ist und nicht der Natur des Menschen entspricht – sondern nur das Lechzen nach Aufmerksamkeit.»
«Bestelle nicht Chinesisch in der Pizzeria»
Für Zünd kommt nicht in Frage, Veganes aus dem Menu zu streichen. Man sei flexibel und wolle eine grosse Auswahl bieten. «Aber als Gast muss man dann auch mal zufrieden sein». Man könne sich ja im Vorfeld informieren, was ein Restaurant anbietet. «Ich gehe auch nicht in die Pizzeria und bestelle chinesisch», sagt Zünd.
Der Gastronom denkt aber auch, dass der Markt noch nicht ausgewogen ist. «Nicht jedes Restaurant kann alles abdecken. Es müssen Spezialisierungen stattfinden», sagt Zünd. Vor allem auf dem Land sei die Auswahl an veganen Restaurants noch nicht sehr gross. «Allerdings», fügt er etwas schelmisch an, «sind Veganer vor allem in den Städten zuhause».