Die Bewohner von Bondo GR sind verzweifelt. Viele stehen nach dem Bergrutsch vor dem Nichts. Besonders hart trifft das Unglück die Gewerbler. Gastwirt Donato Salis (55) ist einer von ihnen: «Meine Existenz ist ungewiss», sagt er zu BLICK. «Ich weiss nicht, ob ich hier eine Zukunft habe.»
Donato Salis darf nur kurz in sein Haus
Salis ist im alten Dorfkern aufgewachsen. Sein Restaurant und Haus sind heil geblieben, befinden sich aber in der Sperrzone. Der Wirt darf gestern nur kurz zurück, um seine wichtigsten Habseligkeiten zu holen. BLICK begleitet ihn auf seinen Wunsch hin. Niedergeschlagen geht Salis durch die leeren Gassen. Die Stimmung ist gespenstisch. Vor seiner Beiz, dem Palaz, bleibt er stehen, schaut traurig in die Ferne. Am Mittwoch musste er sein Haus fluchtartig verlassen. Er hatte nicht einmal Zeit, seine Stühle, Tische und Sonnenschirme vom Dorfplatz hereinzuholen.
Armee-Einsatz ist zu gefährlich
Der Bündner schluckt: «Ich habe Angst, dass meine Beiz nie wieder öffnet.» Fakt ist: Die Situation in Bondo GR bleibt heikel. Vier Millionen Kubikmeter Gestein sind abgebrochen. Eine weitere Million ist in Bewegung. Die Arbeiter sind angespannt. Im Notfall müssen sie innert vier Minuten vom Gefahrengebiet weg. Ein Armee-Einsatz mit vielen Leuten ist momentan zu gefährlich, obwohl Bundesrat Guy Parmelin diesen zugesichert hat.
Salis dazu: «Die Situation ist für alle schlimm.» Und: «Selbst wenn wir zurück dürfen, ist der langfristige Schaden gross.» Der Gastronom fürchtet um die Touristen. «Ich weiss nicht, ob in Zukunft noch Wanderer kommen.» Aktuell wohnt er bei Freunden und lebt von seinen Ersparnissen.
Die Werkstatt von Mechaniker Martinoli ist weg
Auch Mechaniker und Transportunternehmer Giorgio Martinoli (58) hat seine Existenz verloren. Seine Werkstatt, Lagerhalle und Büro sind dem Erdboden gleichgemacht. «35 Jahre habe ich in meine Firma in Bondo GR investiert», sagt er traurig. «Jetzt ist alles weg. Eigentlich wollte ich den Betrieb meiner Familie hinterlassen.»
Nur ein Lastwagen bleibt Martinoli noch. Damit will er weiter arbeiten: «So schnell geben die Leute aus dem Bergell nicht auf. Wir müssen nach vorne blicken.» Er lebt mit seiner Frau im Nachbarort Castasegna GR: «Jetzt halten wir als Familie nur noch stärker zusammen.»
Martinoli steht heute als Freiwilliger im Einsatz und hilft, das Gebiet weiter zu sichern. Das verschüttete Bachbett muss schnellstmöglich geräumt werden. Ansonsten drohen bei einem neuen Bergsturz noch grössere Schäden.