So komfortabel bin ich noch nie gereist, mit dem Privatflieger! 6500 Franken kostet das.» Die Stimme des Zimmernachbarn in Badrutt’s Palace ist unüberhörbar, er telefoniert auf seinem Hotelbalkon und schwärmt von der Aussicht auf Berge, See und Himmel. «Ja, es ist alles sauteuer hier, aber es lohnt sich. Wenn du hier bist, weisst du, wofür es sich zu leben lohnt.»
Die Begeisterung des unbekannten Gastes ist nichts Neues: Seit über 100 Jahren lockt sie die Reichen und Berühmten dieser Welt ins Fünfsterne-Märchenschloss hoch über dem St.-Moritzersee. Alfred Hitchcock (1899–1980) buchte 35 Jahre lang jeweils dieselbe Suite, Audrey Hepburn (1929–93), Pablo Picasso (1881–1973) und Andy Warhol (1928–87) gehörten ebenfalls zu den Stammgästen. Die einheimische Chronistin Marcella Maier (94) erinnert sich an die Zeit, als die Filmstars in den Nobelort kamen: «Charlie Chaplin oder Douglas Fairbanks landeten mit dem Flieger auf dem gefrorenen See», erzählt sie. «Ich bin im Dorf ab und zu einem begegnet.» So auch Schah Reza Pahlavi von Persien (1919–80). «Seine Frau Farah Diba sah man aber nie draussen vor dem Palace», so Maier. «Und rein konnte man da ja nicht, der Concierge hätte uns sofort rausgeschmissen.»
Geld regiert in St. Moritz auch heute: Wer die Feiertage in Badrutt’s Palace verbracht hat, buchte für mindestens zwölf Nächte – im günstigsten Doppelzimmer für 15 660 Franken. Erleben kann man die Atmosphäre des Nobelhotels aber auch günstiger. Der Eintritt in die Halle mit den altmodischen Sofas ist kostenlos. Sie gilt als Wohnzimmer von St. Moritz, der mit dicken Teppichen belegte Gang als Laufsteg. Hier führen die Frauen ihre Trophäen vor: Diamanten, Designerkleider, Pelze.
«Mein Vater pflegte zu sagen, die Saison hier im Palace sei, als ob man auf einem Kreuzdampfer durch den Winter fährt», sagt Rolf Sachs (59), Sohn des Lebemanns Gunter Sachs († 78). Dieser verwandelte den Turm des Badrutt’s Palace Ende der 60er-Jahre in ein Pop-Art-Gesamtkunstwerk und feierte Partys, bis die Kronleuchter zitterten. «Früher kannte ich in der Halle fast jeden, jetzt noch die Hälfte. Es ist alles kurzlebiger geworden», sagt Sohn Rolf. Sprich: Man verbringt nicht mehr die ganze Saison in St. Moritz, kommt oft nur für ein paar Tage ins immerwährende Champagner-Klima hoch.
Doch auch mit Geld lassen sich in St. Moritz nicht alle Türen öffnen, in exklusiven Zirkeln bleibt man gern unter sich. St. Moritz sei die Haupstadt der Clubs, sagt Sachs, Präsident des Bob- und Dracula-Clubs. «Die Leute fragen mich immer, was man tun müsse, um im Dracula dabei zu sein, ob es teuer sei.» Darum gehe es aber nicht. «Es gibt eine lange Warteliste und natürlich wählt man zuerst die Charismatiker und Charmanten aus», so Sachs. «Ein Club muss Eleganz, Humor und Exzentrik haben. Das alles macht St. Moritz aus.»
Exklusiv ist auch die Turmsuite von Verleger Jürg Marquard (69). Beim Silvester-Apéro stiessen 180 Gäste an. «Für uns ist der Turm einfach unser Winterdomizil», sagt Gattin Raquel Marquard (51). «Aber für viele Gäste, besonders aus dem Ausland, ist das Palace eine Legende.» Jürg Marquard erklärt seine Faszination für St. Moritz so: «Es bietet eine einmalige Mischung aus Naturschönheit, viel Schnee, viel Sonne und vielen interessanten Menschen», sagt er. «Wo sonst findet man das?»