BLICK-Food-Experte Michael Merz über das Bumann-Aus
Spitzengastronomie ist knüppelhart

Spitzenkoch Daniel Bumann musste die Chesa Pirani in La Punt verlassen und ist auf der Suche nach einem neuen Lokal. Warum ein Laden schliessen muss, kann viele Gründe haben, erklärt Food-Experte Michael Merz.
Publiziert: 17.08.2016 um 12:23 Uhr
|
Aktualisiert: 11.09.2018 um 08:15 Uhr
1/12
Macht sich Sorgen um die Schweizer Gastronomie: Daniel Bumann.
Foto: Philippe Rossier
Michael Merz
BLICK-Food-Experte Michael Merz.

Es gibt viele Gründe, weshalb ein Lokal schliesst. Meist sind es pekuniäre Umstände. Der Laden, Miete und Aufwand sind zu teuer. Fähiges Personal fehlt und ist kostbar. Die Zahl der Gäste bleibt klein. Manchmal hält die Frau an der Seite des Kochs nicht durch, manchmal der Koch selbst. Manchmal auch der Vermieter.

Sicher ist eines:Spitzengastronomie ist für Köche zwar ungeheuer attraktiv, aber genauso hart. Es gibt viele Gründe, weshalb ein Lokal gar nicht erst eröffnet wird. Obwohl viele attraktive Betriebe auf dem Markt sind. Aber jeder Betrieb, den ein Spitzenkoch übernimmt, steht unter enormem Erfolgsdruck. Dabei dauert es im Schnitt lange, bis so ein Lokal eine wirkliche Geschäftsbasis hat. 

Als Faustregel gilt: Die ersten drei Jahre dürfen nahe der roten Zahlen enden (aber ohne nennenswerte Verluste), die nächsten 3 Jahre im sicheren schwarzen Bereich. Nach 6 Jahren harter Arbeit und noch grösserer Anspannung, sollte ein Betrieb aber in die sichere Erfolgs­-Zone einbiegen. Wenn nicht…? Ist das Ende lange vorher da. Schon steht das Wort vom Sponsor im Raum.

Tatsächlich sagte mir ein Spitzenkoch, der schon Lokale mit guter Punktezahl und Michelin­Stern bekochte (Name der Redaktion bekannt): «Ich jobbe lieber, geniesse das Familienleben und gehe solange stempeln, bis ich einen Sponsor gefunden habe, der mir jene Gastronomie ermöglicht, von der ich träume.» Der Sponsor.

The Restaurant im Zürcher Dolder: Man leistet sich die Spitzengastronomie auch zur Imagepflege.
Foto: ZVG

Ein Traum, den viele etablierte Köche teilen: Steinreicher Besitzer eines Luxushotels betreibt eines seiner Restaurants als Hochklasse ­Gourmet­Etablissement. Allfällige Verluste werden dann durch Querfinanzierung über das Hotel und die anderen Restaurants eines solchen Betriebs aufgefangen.

The Restaurant im Zürcher Dolder: Man leistet sich die Spitzengastronomie auch zur Imagepflege.
Foto: ZVG

Es sind Betriebe, in denen Spitzenköche nicht alleine nur für eine zahlende Kundschaft kochen, sondern vor allem auch zur Imagepflege. Das “Dolder” in Zürich hat mit seinem “The Restaurant” einen solchen Betrieb und sicher wird dies auch beim «Einstein Gourmet» in St. Gallen der Fall sein. Der Betrieb gehört Albert Kriemler, dem Patron von Akris.

Das Einstein Gourmet in St. Gallen gehört Albert Kriemler, Chef des Modehauses Akris.
Foto: ZVG

Dass diese Restaurants teuer, sogar sehr teuer sind, ist jedem klar, der ihre Gerichte bestellt. Alleine sich vorzustellen, wieviele Finger, Pinzetten und Köche einen einzigen Teller fertig stellen, erklärt den Personalaufwand. Diesem perfekten Anblick dienen in der Küche auch schweineteure Maschinen mit Sous­Vide Technik. Grillieren und Räuchern besorgen andere kostspielige Apparate und Tisch­Porzellan, das niemand sonst besitzt, schlägt mächtig zu Buche. Weinkeller der ersten Garde sind inzwischen unbezahlbar.

Das Einstein Gourmet in St. Gallen gehört Albert Kriemler, Chef des Modehauses Akris.
Foto: ZVG

Es sind riesige Investitionen die sich kaum rechnen. Da springen die Besitzer mit ihren privaten Weinkellern ein. Oder mächtige Weinhändler. Sie liefern am Morgen, was am Vorabend bestellt wurde.

Müssig die Frage, wieviel Geld Wein­, Delikatessen­ und Comestibles­ Händlern durch unbezahlte Rechnungen und durch Konkurse, verlieren. Auf Nachfrage schweigt man betreten. 

Fakt ist: Immer wieder gehen Spitzenköche in Konkurs. Einer etwa schloss seinen Betrieb erst nach zweimaligem Bankrott, arbeitet heute als teurer Consultant. Ein anderer kocht auch nach dreimaligem Bankrott munter weiter. 

Klar braucht eine funktionierenden «Spitzen­Wirtschaft» die entsprechende Kundschaft. Doch davon gibt es nicht genügend. Echte, reiche Gourmets können rechnen. Sie vergleichen. Auch kulinarisch. So entsteht in besten Betrieben eine Stammkundschaft.

Jet­Set­Gourmets zahlen jeden Preis, gehen dahin, wovon man spricht… Sie sind entzückt von gewagten Kombinationen, ungewohnten Texturen, neuen Produkte und ziehen bald weiter ins nächste angesagte Lokal. Dort gibt es noch gewagtere Kombinationen, neue Texturen und noch exklusivere Produkte. Auf die Frage, was Ihnen von einem solchen Mahl in Erinnerung geblieben sei, antworten sie meist: Es war toll angerichtet! 

Das Kernproblem aber ist: Spitzenlokale sind in jenen Gegend der Deutschschweiz, in der sie arbeiten, nicht wirklich verankert, weil die lokale Bevölkerung sich diese Lokale nicht leisten kann. Auch nicht zum grossen Familienfest. Es fehlt die Identifikation.

Und schliesst so ein Lokal, zucken die Anwohner mit den Schultern. Es wird schon ein Neuer kommen. Er wird es probieren. Man wird sehen.... Und so weiter und so fort… Hoffnungslos.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?