Den Fischen, den Wildbienen, den Libellen und den Gewässerinsekten in Graubünden geht es schlecht. Ihr Lebensraum im und am Wasser ist in einem unbefriedigenden Zustand, wie Luis Lietha vom Amt für Natur und Umwelt des Kantons Graubünden am Donnerstag vor den Medien oberhalb von Chur erklärte.
Während dreier Jahre erarbeiteten rund 80 Personen die Biodiversitätsstrategie des Bergkantons. Im rund 600-seitigen Bericht listeten sie auf, wo im Kanton Defizite in der Biodiversität herrschen und wie sie angegangen werden können. Generell erkannten die Fachpersonen, dass der Zustand in den bevölkerungsreichen Talböden eher schlecht und in den höheren Lagen gut ist.
Die Beurteilung des aktuellen Zustands unterteilten die Verantwortlichen in die drei Bereiche Lebensräume, Artenvielfalt und genetische Vielfalt samt Vernetzung. Bei den Lebensräumen erhielten sechs von 17 analysierten Punkten ein «gut». Darunter etwa der Zustand der Wälder, die Höhenlagen und der Nationalpark. Am schlechtesten schnitten die Gewässer, die Feuchtflächen, die Äcker und die Obstgärten ab.
Mittleren und grossen Säugetieren geht es gut
Bei der Artenvielfalt zeigte sich ein ähnliches Bild. Sechs von 24 Punkten waren als «gut» bewertet worden. Besonders mittleren und grossen Säugetieren im Kanton geht es gut. Zwischenzeitlich ausgerottete Tiere sind wieder da. Anders bei den Lebewesen im und am Wasser. Deren Bestände sinken stetig - trotz grosser Bemühungen.
Die Gründe dafür seien vielfältig. Einerseits ist Trockenheit und der Klimawandel ein Problem, andererseits würden Gewässer im Kanton stark genutzt, etwa durch Kraftwerke, Bewässerungssysteme, Hochwasserschutzverbauungen und Trinkwassergewinnung.
Auch beim dritten Bereich, der genetischen Vielfalt und der Vernetzung, stachen die Defizite rund ums Wasser hervor. Während die Wälder und die Höhenlagen gut abschnitten, gab es für Gewässer, Auen und Wildtierkorridore in den Talschaften schlechte Bewertungen.
«Unsere Grosskinder werden erleben, ob wir gehandelt haben»
Mit 28 Massnahmen wollen die Behörden nun die Defizite mindern und die Eigenverantwortung in Bezug auf das Naturkapital stärken. Es ist unter anderem vorgesehen, Kleingewässer aufzuwerten und Moore zu revitalisieren. Weiter sollen Vernetzungsachsen von Lebensräumen geschaffen und Liegenschaften ökologisch aufgewertet werden.
Aber auch das Wissen rund um die Biodiversität und deren Bedeutung für den Bergkanton bedarf Förderung. Die Behörden sehen beispielsweise vor, regionale Infoveranstaltungen durchzuführen und Lehrkräfte zu schulen.
«Unsere Grosskinder werden erleben, ob wir gehandelt haben oder nicht», mahnte der Umweltschutzdirektor Jon Domenic Parolini (Mitte). Die Biodiversität sei in Graubünden die Lebensgrundlage und der Garant für Stabilität.
Bündner Weg soll Erfolg bringen
Erfolg soll dabei der «Bündner Weg» bringen, erklärte Parolini weiter. Dieser Weg gründet auf einem Kooperationsprinzip, oder wie der Amtsleiter für Natur und Umwelt Andreas Cabalzar weiter ausführte: «Zwischendurch geben wir uns auf die Rübe. Aber am Ende des Tages stossen wir freundschaftlich an.»
Ziel ist es, mit Offenheit, Akzeptanz und Transparenz pragmatische Lösungen zu finden. Dabei sollen alle Akteure, also die breite Bevölkerung, die Landwirtschaft, der Tourismus und die Gemeinden miteinbezogen werden.
Ausserdem starteten die Behörden am Donnerstag ein öffentliches Mitwirkungsverfahren. Interessierte können sich bis am 6. Oktober auf der Webseite des Bündner Amtes für Natur und Umwelt einer Umfrage unterziehen und Inputs geben. Im Spätherbst wollen die Verantwortlichen dann die Ergebnisse präsentieren. (SDA)