Ständerat weist Massnahmen gegen Lohndiskriminierung zurück
Lohngleichheit im Grundsatz ja, aber ohne Zwang

Der Ständerat will Unternehmen nicht zu Lohnanalysen verpflichten, um die Lohndiskriminierung von Frauen zu bekämpfen. Er hat am Mittwoch beschlossen, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen. Diese soll Modelle der Selbstdeklaration prüfen.
Publiziert: 28.02.2018 um 12:29 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:15 Uhr

Der Ständerat beschloss zwar zuerst mit 25 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung, auf die Vorlage einzutreten. Anschliessend entschied er aber mit demselben Stimmenverhältnis, diese an die vorberatende Kommission zurückzuweisen. Nur drei Mitglieder der CVP stellten sich gegen einen entsprechenden Antrag von Konrad Graber (CVP/LU).

Die Kommission muss nun Alternativen prüfen, insbesondere Modelle der Selbstdeklaration. Gemäss Graber würde das bedeuten, dass jede Firma am Ende des Jahres unterschreiben müsste, dass sie die Lohngleichheit einhält. Pirmin Bischof (CVP/SO) möchte, dass zuerst ausschliesslich im öffentlichen Sektor Massnahmen ergriffen werden. Werner Hösli (SVP/GL) wiederum deutete an, das Thema könnte mit einer Erhöhung des Frauenrentenalters verknüpft werden.

«Die Frist für die Freiwilligkeit ist abgelaufen»

Die Gegnerinnen und Gegner der Rückweisung kritisierten, die Forderung nach Alternativen sei nur ein Vorwand, um nichts zu tun. Anita Fetz (SP/BS) befand, der Antrag im letzten Moment sei «Politik der wenig netten Sorte, man könnte auch sagen der üblen Sorte». Paul Rechsteiner (SP/SG) stellte fest, die Kommission habe ihre Arbeit gemacht, es gebe Berge von Studien und kiloweise Abklärungen.

Justizministerin Simonetta Sommaruga gab zu bedenken, Selbstdeklaration sei genau das, was der Bundesrat vorschlage. Die Deklaration müsste aber auf einer Analyse der Löhne basieren, zu welcher die Unternehmen verpflichtet wären. «Die Frist für Freiwilligkeit ist abgelaufen», sagte Sommaruga. Das habe man versucht. Von 66'000 Unternehmen hätten nur gerade 28 mitgemacht.

Im Schnitt 600 Franken weniger im Monat

Die Befürworterinnen und Befürworter der bundesrätlichen Vorlage argumentierten, es könne nicht länger hingenommen werden, dass die Frauen für gleichwertige Arbeit im Durchschnitt 600 Franken pro Monat weniger verdienten. Die Lohngleichheit - gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit - sei seit 1981 in der Verfassung verankert.

Die Differenz zwischen Männer- und Frauenlöhnen habe zwar abgenommen. Nach wie vor verbleibe aber eine Differenz von 7 bis 8 Prozent, die nicht mit objektiven Faktoren wie Teilzeitarbeit erklärt werden könne. Diese Lohndifferenz werde sich nicht einfach verflüchtigen, sagte Anita Fetz. Denn der Grund dafür seien unbewusste Stereotypen, welche die Wahrnehmung verzerrten.

Fetz erläuterte das am Beispiel des «John and Jane»-Experiments. Die Teilnehmenden sollen eine Person für eine Kaderstelle aussuchen. Sie erhalten zwei identische Bewerbungsdossiers, eines von John und eines von Jane. Die Mehrheit empfiehlt die Wahl von John. Erhalten sie die Dossiers ohne Vornamen, werden beide Personen zu gleichen Teilen empfohlen.

«Sind es den Frauen schuldig»

Werner Luginbühl (BDP/BE) stellte fest, die Zeit, in der die Männer mit der göttlichen Ordnung argumentierten, liege 50 Jahre zurück. «Aus gesellschaftlicher Optik meine ich, dass wir es den Frauen schuldig sind». Dies auch mit Blick auf eine Erhöhung des Frauenrentenalters.

Raphaël Comte (FDP/NE) hob diesen Aspekt ebenfalls hervor. Ohne Lohngleichheit würden die Frauen einer Erhöhung des Frauenrentenalters niemals zustimmen, sagte er. Und ohne Frauen sei eine AHV-Reform nicht zu haben.

SVP und FDP wollen keinen Zwang

Die Gegner aus den Reihen der FDP und SVP beteuerten, Gleichstellung sei auch ihnen ein wichtiges Anliegen. Die nicht erklärbare Differenz zwischen Männer- und Frauenlöhnen nehme aber ab, ein Gesetz sei unnötig. Hannes Germann (SVP/SH) wies auf die Wirtschaftsfreiheit hin. Die Vorlage sei geprägt vom Zeitgeist, alles und jedes mit einem Gesetz regeln zu wollen.

Die Unternehmen dürften nicht mit zusätzlicher Bürokratie belastet werden, lautete der Tenor. Hans Wicki (FDP/NW) und Andrea Caroni (FDP/AR) stellten ausserdem in Frage, dass die nicht erklärbare Lohndifferenz ausschliesslich auf eine Geschlechterdiskriminierung zurückzuführen ist. Das wahre Problem sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte Caroni. Hier gelte es anzusetzen.

Sommaruga stellte am Ende der Debatte fest, diese Argumentation sei nicht neu. Die erste Reaktion laute stets: «Die Lohndiskriminierung ist nicht erwiesen.» Die Zweite: «Man müsste schon etwas tun, aber nicht jetzt.» Und die Dritte: «Tun wir etwas, aber nicht das.»

Lohnanalysen ohne Sanktionen

Der Bundesrat möchte Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden verpflichten, Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern transparent zu machen. Die Unternehmen sollen alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchführen und von einer unabhängigen Stelle prüfen lassen. Anschliessend müssten sie die Angestellten über das Ergebnis informieren. Das würde auch für den öffentlichen Sektor gelten.

Sanktionen wären nicht vorgesehen: Der Bundesrat setzt darauf, dass Unternehmen die Löhne anpassen, wenn die Ungleichheit sichtbar wird. Die vorberatende Kommission schwächte die Vorlage ab. Sie wollte nur Unternehmen mit 100 oder mehr Angestellten dazu verpflichten, die Löhne zu analysieren.

Damit würden nicht wie vom Bundesrat vorgesehen 2 Prozent der Unternehmen und 54 Prozent aller Arbeitnehmenden erfasst, sondern lediglich 0,85 Prozent der Unternehmen und 45 Prozent aller Arbeitnehmenden. Zudem hatte die Kommission eine befristete Regelung beschlossen: Die Bestimmungen sollen lediglich zwölf Jahre lang gelten. (SDA)

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