Seit Anfang April liegt eine neue Tarifstruktur auf dem Tisch. Diese haben der Ärzteverband FMH, der Spitalverband H+, die Unfallversicherer und der Krankenkassenverband curafutura ausgehandelt. Am 28. April entscheidet die Ärztekammer der FMH darüber. Stimmt sie zu, werden voraussichtlich rund 40'000 Mediziner in einer Urabstimmung befragt.
Auch beim Spitalverband H+ läuft derzeit die Befragung der Mitglieder. Stehen alle Ampeln auf Grün, wollen die Verhandlungspartner die neue Tarifstruktur und die zugehörigen Verträge Ende Juni dem Bundesrat zur Genehmigung vorlegen.
Die beteiligten Organisationen haben seit 2010 an der Revision der rund 4600 Tarifpositionen gearbeitet. Nicht mitgemacht hat santésuisse. Der Krankenkassendachverband wollte nicht an einem Tarifsystem mitarbeiten, das seiner Meinung nach unweigerlich zu höheren Kosten führt. Morgen Montag tritt santésuisse zusammen mit dem Chirurgen-Verband FMCH mit eigenen Vorschlägen an die Öffentlichkeit.
Bei dem Streit geht es vereinfacht gesagt um den Lohn der Ärzte auf der einen Seite und die Höhe der Krankenkassenprämien auf der anderen. Jede ärztliche Leistung wird mit einer bestimmten Anzahl Taxpunkte vergütet. Multipliziert mit dem Taxpunktwert ergibt sich daraus die Entschädigung des Arztes. Die Rechnung wird von den Krankenkassen und damit letztlich von den Prämienzahlern beglichen.
Welche Leistung wie viele Taxpunkte wert ist, steht in der Tarifstruktur Tarmed. Diese wurde 2004 letztmals überarbeitet. Viele Tarifpositionen entsprechen längst nicht mehr der Realität. Dank technischem Fortschritt ist beispielsweise die Operation eines grauen Stars viel einfacher geworden. Die Entschädigung ist aber immer noch gleich hoch. Andere Vergütungen sind zu tief angesetzt. Breite Einigkeit herrscht etwa darüber, dass Hausärzte für nicht technische Leistungen wie das Patientengespräch heute zu wenig Geld bekommen.
Damit ist der Tarif nicht mehr sachgerecht, wie es das Gesetz verlangt. Das allein würde die meisten Ärzte noch nicht beunruhigen. Was sie unter Druck setzt, sind die Möglichkeiten des Bundesrats. Seit einer Gesetzesänderung von 2013 kann die Regierung selber einen Tarif erlassen, wenn der geltende nicht mehr sachgerecht ist und sich die Tarifpartner nicht auf eine Anpassung einigen können.
Dass er bereit ist, davon Gebrauch zu machen, hat er 2014 im Zusammenhang mit der Hausarzt-Initiative bewiesen. Damals wurden Tarifpositionen, die vor allem von den Grundversorgern abgerechnet werden, auf Kosten der Spezialärzte um 200 Millionen Franken aufgewertet.
Das sei ein Damoklesschwert für die Ärzte, sagte FMH-Vorstandsmitglied Urs Stoffel der Nachrichtenagentur sda: Entweder, man einige sich auf einen Kompromiss, oder man bekomme einen Amtstarif. «Und der wird sicher nicht zu Gunsten der Ärzteschaft ausfallen», ist Stoffel überzeugt.
Trotz dieser Drohung sei die neue Tarifstruktur heftig umstritten, und zwar in allen Fachgesellschaften. Wer wie viel gewinne und wer verliere, lasse sich heute noch nicht sagen. Generell würden Grundleistungen eher aufgewertet, technische Leistungen abgewertet, sagte Stoffel.
Das entspricht den Vorgaben des Bundes. Dieser schreibt aber auch vor, dass die neue Tarifstruktur nicht zu höheren Kosten führen darf. Was diese Kostenneutralität bedeutet und wie sie erreicht werden kann, ist umstritten. Der Zwist ist einer der Gründe für die Spaltung von santésuisse und die Gründung des Verbands curafutura durch die Krankenkassen CSS, Helsana, KPT und Sanitas.
«Es ist unsere Verantwortung, eine Lösung zu finden», sagt curafutura-Präsident Ignazio Cassis. Der Tessiner Mediziner ist als Chef der FDP-Bundeshausfraktion und Präsident der nationalrätlichen Gesundheitskommission eine Schlüsselfigur im Tarifstreit. Die Leistungserbringer hätten sich zur Kostenneutralität bekannt, darum arbeite curafutura am neuen Tarif mit, sagte Cassis.
Damit es nicht beim Bekenntnis bleibt, haben die Verhandlungspartner einen Korrekturmechanismus in den Tarifverträgen eingebaut. Die so genannte «Normierung» ist ein Faktor, mit dem die Anzahl Taxpunkte nach unten korrigiert wird. So wird sichergestellt, dass das Taxpunktvolumen in der neuen Tarifstruktur gleich bleibt. Im Jahr der Einführung werde überprüft, ob Anpassungen nötig seien, erklärte Bernhard Wegmüller, Direktor des Spitalverbands H+. «Dadurch können wir gewährleisten, dass der Tarifmodellwechsel zu keinen Mehrkosten führen wird.»
Santésuisse traut diesem Mechanismus nicht. Der Dachverband verlangt, dass gewisse Leistungen nicht nach Zeit, sondern pauschal abgerechnet werden. Zudem soll ein allfälliger Anstieg des Taxpunktvolumens nicht nur bei Einführung des neuen Tarifsystems, sondern jedes Jahr wieder nach unten korrigiert werden. Nur so kann nach Ansicht von santésuisse das Kostenwachstum wirksam bekämpft werden. Die Krankenkassen befürchten nämlich, dass die Ärzte allfällige Ausfälle kompensieren, indem sie mehr Leistungen abrechnen.
Dass dies nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, zeigt eine erste Auswertung der Tarifanpassung von 2014 durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Aus den provisorischen Zahlen geht hervor, dass die Hausärzte wie vorgesehen mehr Geld bekommen.
Bei den Spezialisten ist die Anzahl abgerechneter Taxpunkte aber nicht im gleichen Ausmass gesunken, sondern im Gegenteil sogar gestiegen. Das BAG vermutet, «dass die Spezialisten die Kürzungen mit einer Mengenausweitung kompensieren», wie es in einer Stellungnahme heisst.
Nach Ansicht von FMH-Vorstand Urs Stoffel liefert die Analyse keinen Beleg für eine reine Mengenausweitung als Ursache für den Anstieg. Gründe seien neben dem normalen Wachstum auch die besonders grosse Nachfrage nach diesen Leistungen, sagte er. In der neuen Tarifstruktur werde das vorgesehene Monitoring eine Mengenausweitung verhindern. Dieses erlaube, gezielt einzugreifen, dort wo die Kosten aus dem Ruder liefen.
Die Forderungen von santésuisse lehnen Ärzte und Spitäler ab. Die jährliche Normierung der Tarifstruktur wäre «weit über der Schmerzgrenze der Schweizer Ärzteschaft», sagte Stoffel. Auch curafutura-Präsident Cassis ist skeptisch. Ein gewisses Wachstum müsse möglich sein, allein wegen der Demografie und dem medizinischen Fortschritt. «Letztlich ist es aber eine politische Diskussion, welchen Preis die Bevölkerung für welche Leistungen zu zahlen bereit ist», sagte er.
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