Ein tragischer Unfall ereignete sich am Mittwochnachmittag auf der A1 in Fahrtrichtung Bern bei Mägenwil AG. Ein Reh hatte sich auf der Autobahn verirrt, kollidierte mit dem BMW einer Genferin (†65) und schlug durch die Windschutzscheibe frontal in den Wagen ein. Beide – Mensch und Tier – verstarben.
Dabei hatte die Frau unfassbares Pech: So verirren sich Rehe eigentlich selten auf die Autobahn, wie Bernhard Bühlmann, Jagdleiter im Revier Festenberg bei Mägenwil AG, sagt. Er musste das tote Tier bergen, sah das Unfallauto aus nächster Nähe. Der Unfall sei «aussergewöhnlich», sagt er zu Blick. «Die Frau hatte sozusagen Unglück im Unglück.»
«Das Reh sprang möglicherweise hoch»
Denn dazu kommt: Rehe würden aufgrund ihrer Grösse von der Kühlerhaube weggeschleudert, erklärt Bernhard Graser, Sprecher der Kantonspolizei Aargau. «Möglicherweise sprang dieses Reh gestern hoch und knallte dadurch voll gegen die Windschutzscheibe.» Die Unfallbilder zeigen: Der BMW ist praktisch unversehrt, bis auf das Loch in der Windschutzscheibe – genau auf Kopfhöhe.
Graser nennt den Unfall eine «tragische Verkettung von Zufällen». Obwohl die Polizei per Notruf über das Reh auf der A1 informiert wurde und eine Patrouille vor Ort war, um es einzufangen, konnte der Unfall nicht verhindert werden. Die Kollision ereignete sich kurz nach Ankunft der Polizisten. Trotz Reanimationsversuchen der Beamten und Sanitäter starb die Frau später im Spital.
Doch wie gelangte das Reh auf die Autobahn? Jagdleiter Bühlmann vermutet, dass das Tier aus dem an der Autobahn angrenzenden Waldstück Birretholz gekommen war: «Es ist gut möglich, dass das Tier dort von Menschen aufgeschreckt wurde. Oder aber ein Hund hat es gejagt.» Aus Angst könnte das Tier dann wie wild geflüchtet sein, die Orientierung verloren haben und auf der Autobahn gelandet sein.
Flucht vor Mensch oder Hund
Daniel Lüem ist Jagdaufseher im angrenzenden Jagdrevier. Über Rehe sagt er: «Die Tiere sind normalerweise nachtaktiv und ziehen sich tagsüber in unserem Gebiet in den Wald zurück. Daher ist es sehr ungewöhnlich, dass das Unfall-Tier tagsüber unterwegs war.» Eine mögliche Erklärung: Da seit der Corona-Pandemie mehr Spaziergänger im Wald unterwegs seien, fühlen sich die Tiere möglicherweise in die Enge getrieben und flüchten.
Dass es sich bei diesem Unfall um eine Besonderheit handelt, zeigt auch die Unfallstatistik des Bundesamts für Strassen Astra. Zwischen 2016 und 2020 wurde kein einziger Wildunfall mit tödlichem Ausgang auf einer Schweizer Autobahn registriert. In dieser Zeit wurden lediglich drei schwerverletzte und einige leichtverletzte Personen gemeldet.
Die 1,60 bis 2 Meter hohen Wildschutzzäune an den Autobahnen bieten laut Astra «einen sehr guten, aber keinen absoluten Schutz». Im Bereich von Autobahnanschlüssen würden jedoch logischerweise Lücken existieren, die von Tieren genutzt werden können.