Genfer Arzt über junge Corona-Patienten auf der Intensivstation
«Die haben einen Dachschaden nach dem Aufwachen»

Auch junge Menschen liegen auf den Intensivstationen. Der Genfer Chefarzt Martin Tramèr erklärt, welche dramatische Folgen das Virus für sie hat. Und fragt sich, warum manche Menschen nicht begreifen, dass die Impfung diese Probleme verhindern würde.
Publiziert: 18.12.2021 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.12.2021 um 11:08 Uhr
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Martin Tramèr vom Genfer Unispital erzählt, wie dramatisch die Folgen einer schweren Corona-Erkrankung für junge Menschen sein können.
Foto: Luisa Ita

Derzeit gibt es zwei Gruppen von Corona-Patienten auf der Intensivstation. Ältere Patienten, bis maximal 80 Jahre, die zweimal geimpft sind. Und jüngere, darunter auch 30-Jährige, die keinen Schutz besitzen. Dies sagt Martin Tramèr, Chefarzt auf der Anästhesie im Unispital Genf, zu «20 Minuten».

Der Arzt macht keinen Hehl daraus, für welche Gruppe er weniger Verständnis hat. «Es ist ein Phänomen: Wir haben einen Impfstoff, der absolut wirksam und sicher ist. Der hundertemillionen Mal verabreicht wurde. Und dann gibt es Menschen die sagen, sie wollen ihn nicht.»

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Diese Menschen würden vielleicht glauben, das Virus können bei ihnen keine schlimmen Folgen verursachen, mutmasst der Arzt. Doch das Gegenteil sei der Fall. «Diese jungen Leute bleiben wochenlang im Pflegebett und werden ventiliert (künstlich beatmet, Anm. der Redaktion). Wenn sie dann nach vier Wochen exturbiert werden, müssen sie nicht meinen, einfach einen Teller Spaghetti essen und nach Hause gehen zu können.» Stattdessen würden sie aus der Vollnarkose erwachen, grosse Lungen- und andere Organschäden davongetragen haben und in die Rehabilitation müssen. «Und, auf gut Deutsch, einen Dachschaden haben».

«Es nützt offenbar wenig, wenn Ärzte warnen»

Tramèr fragt sich, ob man die Krankheit den Menschen nicht besser hätte näherbringen können: «In der Stadt sieht man keine kranken Leute. Niemanden, der mit Eiterbeulen im Strassengraben liegt. Niemanden, der Blut spuckt. Da nützt es offenbar wenig, wenn Ärzte hinstehen und sagen, ‹passt auf›.»

Abhilfe für dieses Problem kennt er keine. Man könne ja nicht das Spital für Führungen öffnen, das sei schliesslich «kein Zoologischer Garten». «Sonst könnte man Menschen zuerst auf die Akutstation bringen, wo die Menschen Atemprobleme haben. Danach würde es weitergehen auf die Intensivstation und dann auf die Intermediate Care, wo es am schlimmsten ist.» Dort würden die Patienten wach herumliegen, mit Masken, Helmen und Sauerstoffschläuchen im Gesicht. «Das wäre sicher eindrücklich», glaubt Tramèr. «Da hätte man alle Politiker durchführen sollen. Aber eben, wir können ja keine Volksshow daraus machen.»

Auch wenn Tramèr eine klare Meinung zur Impfung hat, ist für ihn auch klar: Einen Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften wird in der Pflege der Patienten nicht gemacht. «Das kommt überhaupt nicht infrage». (vof)

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