Gemischter Chor Tuttwil TG am Gesangfest
«Die Hälfte kann singen, die andere nicht»

Beim gemischten Chor Tuttwil TG geht es um weit mehr, als nur ums Singen. Am Gesangfest in Meiringen wollen sie das nun unter Beweis stellen.
Publiziert: 19.06.2015 um 17:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:27 Uhr
Von Gabi Schwegler

Die 24 Körper biegen sich nach rechts, Arme über dem Kopf, dann nach links. Einatmen, ausatmen. Was aussieht wie eine Turnstunde, ist die letzte Chorprobe vor dem grossen Auftritt. Der gemischte Chor Tuttwil – ein 400-Seelen-Dorf im Hinterthurgau – singt morgen am Gesangfest in Meiringen im Berner Oberland vor Experten.

Ein ganzes Jahr hat der Chor dafür geübt. «Die grosse Herausforderung ist nun, auf den Punkt die Höchstleistung zu bringen», sagt Chorleiterin Claudia Breu (50). Seit fünf Jahren probt sie mit dem Dorfchor – leidenschaftlich. Natürlich gehöre das offene Ohr für persönliche Anliegen der Mitglieder dazu. «Das ist es doch», wirft Präsident Franco Heim (51) ein. «Die Musik ist wichtig, aber genauso der persönliche Austausch.» Jene, die wollten, gingen nach der Probe noch etwas trinken.

Dieses Zusammensitzen sei es, was ihm so gut gefalle, sagt Urs Neuweiler (48). Er singt seit 25 Jahren mit. «Eigentlich bin ich aus lauter Blödsinn in den Chor gekommen, weil mich ein Kollege mitgerissen hat.» Geblieben ist er, weil er gerne mit anderen ein Ziel erreicht.

Seit 1967 besteht der Chor in dieser Form, zuvor gab es in Tuttwil nur einen reinen Männerchor. «Gemischter Chor heisst bei uns: Die Hälfte kann singen, die andere nicht», sagt Franco Heim und lacht. Willkommen seien alle, die gerne singen. Für Daniela Fieger (40), «eine Zugezogene», bedeutete der Chor Anschluss im Dorf: «Vor allem ältere Menschen begrüssen mich mit offenen Armen, wenn ich ihnen sage, dass ich im Chor singe. Das klingt einfach vertrauenswürdig.»

Gemeinsam treten sie fünf- bis sechsmal pro Jahr auf, geprobt wird einmal pro Woche im Nachbardorf Wängi. Ein Bündner Volkslied, ein siebenstimmiger Gospelsong und der ESC-Hit «Ding-a-Dong» der Band Teach In aus dem Jahr 1975 stehen auf dem Probeplan für Meiringen. «Wenn wir nur traditionelle Lieder singen würden, ginge die Hälfte», sagt Urs Neuweiler.

Oder es kämen noch weniger: Es fehlt wie in vielen anderen Chören auf dem Land der Nachwuchs, vor allem bei den Männerstimmen. «Singen im Chor gilt nicht mehr als sexy und wird oft belächelt», sagt Franco Heim. «Dabei wissen die einfach nicht, wie schön wir es zusammen haben.»

Der gemischte Chor Tuttwil singt morgen um 11.30 Uhr in der Pfrundmatte-Turnhalle in Meiringen.

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