Kein Ende in Sicht im Fall Carlos*. Eigentlich hätte der 20-jährige Gefangene im September letzten Jahres aus dem Knast entlassen werden müssen. Er hatte seine 18 Monate wegen versuchter schwerer Körperverletzung abgesessen, nachdem er einem Mann den Unterkiefer gebrochen hatte.
Doch auch der Knast stoppt Carlos nicht. In der Strafanstalt Pöschwies schlug er einen Aufseher nieder und verletzte ihn. Zudem randalierte er mehrfach in seiner Zelle und setzte sie unter Wasser, indem er das Zellen-WC verstopfte. Er soll Schäden von mehreren Zehntausend Franken verursacht haben.
«Zudem machte er sich einen Spass daraus, weitere Aufseher zu drangsalieren», sagt ein Polizeiinsider zu BLICK. «Wenn ein Beamter die Essklappe öffnete, streckte Carlos blitzschnell seinen Kopf durch die Öffnung und bespuckte den Aufseher.» Zudem habe er rund ein halbes Dutzend Mal die Klappe aus seiner Verankerung gerissen. «Einen Fernseher hat er längst nicht mehr, da er aus diesem Kleinholz gemacht hatte.»
Der Problemhäftling Nummer eins der Schweiz bringt den Strafvollzug an seine Grenzen! BLICK erfuhr aus Polizeikreisen, dass Carlos auf dem Hofgang jeweils mindestens vier Mitglieder einer Sondereinheit beschäftigt. «So viele sind nötig, um ihn sicher aus der Zelle zu holen», erzählt ein weiterer Beamter. Laut seinen Informationen soll derzeit sogar noch zusätzlich ein Polizeihund als «Begleitschutz» zum Einsatz kommen.
Carlos neuer Anwalt: «Er hat so kein Leben mehr»
Carlos hat mit Thomas Häusermann seit kurzem einen von seiner Familie beauftragten, privaten Anwalt. Er bestätigt die BLICK-Recherche, kritisiert aber die harte Gangart, die seinem Mandanten entgegengebracht wird: «Er wird extrem eingeengt. Es grenzt teilweise an eine militärische Abschottung. Er wird von vier bis sechs Polizisten einer Sondereinheit beim Spaziergang begleitet. Ist das verhältnismässig?»
Die Familie von Carlos habe ihn beauftragt, dessen Situation zu verbessern: «So geht es nicht weiter. Es bewegt sich nichts, seine Situation ist in einer Abwärtsspirale. Er hat so kein Leben mehr.»
Seit einer Woche im Thorberg
Denn Carlos' Leben findet trotz abgesessener Haftstrafe immer noch hinter Gittern statt. Wegen seiner Attacke auf den Aufseher und den Vandalenakten ist er jetzt in Untersuchungshaft – und müsste entsprechend in einem Untersuchungsgefängnis untergebracht werden. Gemäss BLICK-Recherchen fand sich in der deutschen Schweiz jedoch keine geeignete Einrichtung, die bereit war, Carlos aufzunehmen. Seit rund einer Woche sitzt er deshalb in der Berner Strafanstalt Thorberg. «Man hört, dass er seine Zelle gleich kräftig durchgeschüttelt habe», sagt ein Berner Polizist.
Davon will man auf dem Thorberg nichts wissen. «Uns ist ein solcher Vorfall nicht bekannt», heisst es auf Anfrage. Das Zürcher Amt für Justizvollzug verweist im Zusammenhang mit den Vorfällen in der Pöschwies an die Zürcher Staatsanwaltschaft.
«Ich untersuche diverse Vorfälle, die sich während der Zeit des Strafvollzugs von Carlos im Jahr 2017 sowie während der anschliessenden Untersuchungshaft ab Ende September 2017 ereignet haben», bestätigt Staatsanwalt Ulrich Krättli. Es handle sich im Wesentlichen um Körperverletzung, Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Sachbeschädigung.
Verwahrung wird zum Thema
Für Carlos steht das Thema Verwahrung im Raum. Sollte der Staatsanwalt den Angriff auf den Pöschwies-Aufseher als versuchte schwere Körperverletzung qualifizieren, müsste Carlos mit der Verwahrung rechnen.
Staatsanwalt Krättli hält sich in einer Stellungnahme bedeckt: «Was die Frage nach der Prüfung der Voraussetzungen einer ordentlichen Verwahrung betrifft, kann ich (...) festhalten, dass die Staatsanwaltschaft (...) selbstverständlich überprüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.»
Endstation Verwahrung im Fall Carlos? Sein Anwalt Häusermann zeigt sich kämpferisch: «Extreme Massnahmen können entsprechende Reaktionen bei ihm hervorrufen. Man muss immer beide Seiten anschauen. Einerseits muss er sich anstrengen, wozu er auch bereit ist. Anderseits muss man das Setting betrachten. Die ganze Situation ist sonderbar. Er wird behandelt wie ein höchst gefährlicher Straftäter. Wir dürfen nicht vergessen: Carlos hat niemanden umgebracht oder vergewaltigt. Die Behandlung ist ungerecht. Es braucht einen frischen Wind in der Sache.»
Fakt ist: Würde Carlos verwahrt werden, würde er den Steuerzahler Millionen kosten. Der renitente Schläger ist erst 20 Jahre alt.
Mitarbeit: Beat Michel
* Name geändert