In der Schweiz sind schwere Fälle von Rassismus wie etwa Affengeräusche bei Auftritten farbiger Fussballer selten, kommt die Kommission zum Schluss. Auch wenn derartige Äusserungen der Leidenschaft geschuldet sind, kränken sie die Athleten doch.
Und gerade vor Wochenfrist sorgte eine rassistische Äusserung bei einem Fussballmatch in Versoix GE für eine Schlägerei auf dem Spielfeld. Ein Fussballer landete mit ernsthaften Verletzungen im Spital. Für EKR-Präsidentin Martine Brunschwig-Graf ruft der Fall nach einer Untersuchung.
Für die ehemalige Genfer FDP-National- und Regierungsrätin Brunschwig-Graf ist es an der Zeit, den Rassismus im Sport sowie die Homophobie und andere Diskriminierungen wahrzunehmen. Das sei die unerlässliche Bedingung für Präventionsmassnahmen, lässt sie sich in der jüngsten Ausgabe des EKR-Bulletins «Tangram» zitieren.
Über das Ausmass des Problems im Sport gehen die Meinungen auseinander. Gelson Fernandes, Spieler der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, diagnostiziert in dem Magazin, die Rassismus-Bekämpfung in seinem Sport stagniere. Fernandes wurde jüngst Opfer rassistischer Anwürfe, nachdem ihm bei einem Spiel in Deutschland ein Fehler unterlaufen war.
Andere Sportlerinnen und Sportler gaben dem Magazin zu Protokoll, sei seien Zeugen oder direkt Opfer rassistischer Äusserungen geworden. Die Profi-Basketballspielerin Caroline Turin etwa, die sich durch Bemerkungen über ihre Hautfarbe verletzt fühlt, richtete sich an Funktionäre, Werber und Berichterstatter: «Wenn in den Medien weiterhin die athletischen Qualitäten der schwarzen und die Intelligenz der weissen Spieler hervorgehoben werden, welche Botschaft verbreitet man dann damit?»
Für Dominique Blanc, den Vizepräsidenten des Schweizerischen Fussballverbands (SFV), ist der Rassismus in seiner Sportart nicht ein vordringliches oder gravierendes Problem. «Der Fussball ist ein getreues Abbild der Gesellschaft und Diskriminierung, und das kommt leider manchmal auch auf dem Rasen zum Ausdruck», erklärte er. Die erste Priorität des SFV sei die Förderung «eines starken und integrierenden Amateurfussballs».
Der Verband habe das Rassismusproblem seit mehr als 20 Jahren im Blick. Sanktionen für rassistische Äusserungen und Handlungen seien 1997 eingeführt worden. Ein Regelverstoss könne zu drei bis fünf Spielsperren führen. Der Regelkatalog reiche. Zudem gibt Blanc zu bedenken, dass von 300'000 lizenzierten Fussballern in der Schweiz die Hälfte einen ausländischen Pass besitzt.
Diese relative Gelassenheit bei den Fussballfunktionären findet auch auf Behördenseite ihren Ausdruck. In der Hooligan-Datenbank von Fussball und Eishockey ist niemand wegen Verstosses gegen die Anti-Rassismus-Strafform registriert.
Die Situation vor 20 Jahren war noch anders. Damals rekrutierten sich Fussball-Krawallmacher häufig aus den Reihen rechtsgerichteter Skinheads, besonders in Basel, Bern, Genf, Lugano und Zürich. Das änderte sich aber zu Beginn der 2000-er Jahre, wie Thomas Busset vom Internationalen Zentrum für Sportstudien (CIES) der Universität Neuenburg sagte.
Die verstärkte Repression, der Neubau von Stadien für eine andere Zuschauerschaft und Antirassismus-Kampagnen trugen gemäss Busset zu dieser Entwicklung bei. Allerdings ist es mit den Vorfällen damit nicht vorbei, wie das Geschehen von Versoix illustriert.
Auch dass im Februar 2015 in St. Gallen ein als Jude verkleideter Mann dem Fanmarsch der Luzerner voranging, bleibt in unguter Erinnerung. Es entstand der Eindruck, die Fans würden eine antisemitische Jagd veranstalten. St. Galler «Fans» konterten dann in Luzern mit der Transparentaufschrift «Fussball macht frei».
Allgemein ist der Sport «eine der letzten Bastionen für den freien und nur zu oft ungestraften Ausdruck von Rassismus, während rassistische Parolen in der Öffentlichkeit immer weniger geduldet werden», sagte Patrick Clastres, internationaler Experte für Sportgeschichte. Rassismus werde in der geschlossenen Welt der Verbände verschwiegen und tabuisiert.
Auf den Zuschauertribünen konstatierte der langjährige Sportjournalist Laurent Favre: «Blinde Leidenschaft kann Fans zu diskriminierendem Verhalten verleiten, auch wenn sie normalerweise nicht rassistisch sind.»