Sie sind knallig rot, saftig und süss – und in den nächsten Tagen endlich reif: die ersten Schweizer Erdbeeren. Doch warum liegen die roten Früchtchen schon seit Januar in den Regalen der Grossverteiler?
Über 14 Tonnen Erdbeeren wurden etwa 2020 aus Spanien importiert, 70 Prozent davon bereits zwischen Januar und April – weil bei der Kundschaft das Bedürfnis danach besteht, wie die Grossverteiler immer wieder betonen. Ganz nach dem Motto: Die Nachfrage erzeugt das Angebot.
Werbung erzeugt Eindruck von Saisonalität
Wirklich überzeugt von diesem Argument war der Konsumentenverband der Romandie noch nie. Deshalb untersuchte die Fédération romande des consommateurs», kurz FRC, mithilfe von Testkäuferinnen und Testkäufern zwischen Januar 2020 und März 2021, wie Migros, Coop, Lidl, Aldi und Co. in fünf Westschweizer Kantonen ihre Erdbeeren im Winter vermarkten.
Das Résumé der FRC: Oft präsentieren die Detaillisten ihre Importerdbeeren in Kombination mit Schlagrahm und Tortenböden besonders attraktiv und so prominent in den Filialen, dass sie kaum zu übersehen sind.
Gleichzeitig werden die Erdbeeren mit Worten wie «Aktuell», «Superfrisch» oder «Wochenhit» angepriesen, durch die im Kopf der Konsumenten der Eindruck von Saisonalität entstehen kann.
Kundschaft praktisch zum Kauf gedrängt
Nicht zuletzt versprechen die Grossverteiler regelmässig Rabatte auf die verführerischen Früchte und bewerben sie stark – mit Anzeigen, Durchsagen im Laden oder in ihren Kundenmagazinen.
Hinzu kommt: Anbauländer seien bei importierten Erdbeeren häufig nicht auf den ersten Blick ersichtlich, die Produzenten bisweilen gar nicht ausgewiesen.
Damit werde die Kundschaft im Winter praktisch zum Kauf der Importware gedrängt, kommt die FRC zum Schluss.
Dies sei besonders verwerflich, weil die Erdbeeren ab Mai viel schwächer beworben werden – ausgerechnet dann, wenn sie in der Schweiz reif sind.
Wahlfreiheit für die Kundschaft
Die Untersuchung habe in der Westschweiz grosse Wellen geschlagen, sagt Sophie Michaud Gigon, Generalsekretärin der FRC: «Wir erhielten viel Zuspruch aus der Bevölkerung.»
Nun hat sich der welsche Konsumentenverband direkt an die Grossverteiler gewandt. In dem Schreiben «bitten wir die Grossverteiler ausdrücklich, auf das aggressive Marketing für die Erdbeeren, das strategische Platzieren der Früchte und die missverständlichen Formulierungen zu verzichten und mehr Transparenz zu der Herkunft der Erdbeeren walten zu lassen», sagt Michaud Gigon.
Und was sagen die Grossverteiler zu diesen Vorwürfen? Schweizer Produkte hätten Priorität und die Mehrzahl der Aktionen gelte für saisonale Produkte, lässt Coop verlauten. «Aber wir bieten unserer Kundschaft die Wahlfreiheit.»
Auch bei Aldi heisst es, Swissness habe einen hohen Stellenwert. Erdbeeren würden importiert, wenn hierzulande noch keine Saisonware verfügbar, aber das Kundenbedürfnis bereits vorhanden sei: «Die letzten Jahre haben gezeigt, dass dieses Bedürfnis laufend zunimmt.»
Lidl hält kategorisch fest: Die Schilderungen träfen auf seine Filialen nicht zu.
Migros hingegen hat sich dieses Jahr immerhin entschieden, mit den Aktionen für Erdbeeren jeweils erst ab März zu beginnen.