Er hat es wieder getan. Vitus Huonder, der streitbarste Bischof der Schweiz, sorgt nicht nur bei Schwulen und Lesben für Entsetzen. In einem Vortrag in Fulda (D) wetterte der Churer Bischof gegen die Homoehe.
Dazu zitierte der 73-jährige Passagen aus dem Buch Levitikus, das zum alten Testament gehört: «Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen. Beide werden mit dem Tod bestraft. Ihr Blut soll auf sie kommen.»
Diese und eine ähnliche Stelle allein «würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben», erklärte er. Damit habe die Passage auch eine Bedeutung für die Definition von Ehe und Familie. Da gebe es keine Vielfalt. «Davon nur schon zu sprechen, ist ein Angriff auf den Schöpfer», befand Huonder unter Applaus.
Das Echo auf den Vortrag ist enorm. Das Stichwort #Huonder belegte im Mediendienst Twitter den Spitzenplatz. Der Schwulendachverband Pinkcross will gar prüfen, wie «derartige Hassreden strafrechtlich verfolgt werden könnten».
Selbst bei der katholisch geprägten CVP ist Feuer im Dach. Kommunikationschef Thomas Jauch verweist auf den Papst, der sinngemäss über einen schwulen Mann gesagt habe: «Wer bin ich, ihn zu verurteilen?». Jauch rät Huonder, die «Sicht seines Kirchenoberhaupts» anzunehmen. Alles andere sei «diskriminierend, abstossend und verwerflich».
Noch deutlicher wird Markus Hungerbühler, der die CVP-Fachgruppe für schwule und lesbische Anliegen leitet: «Von diesem Mann sind wir uns nichts anderes gewohnt als solch hirnrissige Provokationen», sagt Hungerbühler, der auch die Stadtzürcher CVP präsidiert. «Befremdend, dass sich jemand zu den Themen Liebe, Beziehung und Partnerschaft äussert, die dazu wenig beitragen kann, da für ihn ja bekanntlich das Zölibat gilt.» Huonder suche bloss Aufmerksamkeit.
Auch die Evangelische Volkspartei (EVP) ist sauer. Präsidentin Marianne Streiff sagt: «Ich finde es sehr problematisch, wenn mit einzelnen Bibelstellen Politik gemacht wird, wie es Bischof Huonder tut.» Umso mehr, wenn es sich ums alte Testament handle. Dieses sei «durch den beispielhaften Umgang von Jesus mit den Mitmenschen relativiert und ergänzt» worden.
«Genau darum bin ich ausgetreten»
Moderator Marco Fritsche ist bekennender Homosexueller. Er sagt: «Genau darum bin ich aus der Kirche ausgetreten! Huonder hatte als Bischof – zumindest offiziell – noch nie Sex. Warum erteilt er Ratschläge?» Eigentlich sei ihm egal, was die «Clowns in ihren Trachten» saggen. Eines sei aber wichtig: «Die Homo-Ehe muss der normalen Ehe gleichgestellt werden.»
Auch TV-Urgestein Kurt Aeschbacher kann nur den Kopfschütteln. «Mensch ist Mensch, Punkt. Ausser offenbar für die katholische Kirche. Und dies trotz eigenem schwulen Personal...»
Auch homosexuelle Politiker schiessen scharf Richtung Chur zurück. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann: «So unterscheidet sich diese Glaubenslehre von Bischof Huonder nicht von den Hetzkampagnen islamistsicher Hassprediger.»
Auch die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch ist entsetzt: «In der Schweiz müssen sich Schwule, Lesben und Transmenschen erfreulicherweise nicht mehr verstecken», erkärt sie gegenüber BLICK. «Unsere Bundesverfassung verbietet jede Diskriminierung. Dennoch haben wir die vollständige Gleichstellung noch nicht erreicht, so etwa beim Adoptionsverbot für nicht-heterosexuelle Paare. Ich appelliere an die fortschrittlichen Kreise in der katholischen Kirche, dafür besorgt zu sein, dass diskriminierende, erniedrigende und weltfremde Äusserungen eines Bischofs nicht länger vorkommen!»
Den starken Gegenwind spürt selbst Vitus Huonder und seine Bischofskollegen. Der Vortrag sei «vereinzelt» als Herabsetzung Homosexueller verstanden worden, so eine Mitteilung. Auch die Schweizer Bischofskonferenz versucht die Wogen zu glätten. Und macht alles noch schlimmer. Homosexuellen sei «mit Achtung, Mitleid und Takt» zu begegnen, liessen die Bischöfe verlauten.
Von «Mitleid» will der homosexuelle Ständeratskandidat der SVP, Hans-Ueli Vogt, nichts wissen: «Mit mir muss niemand Mitleid haben!», sagt er. Und weiter: «Ich finde solche Aussagen menschenverachtend. Der christliche Grundsatz ist Nächstenliebe. Aber das ist einfach nur homophob.»
Bea Knecht ist Gründerin des TV-Dienstes «Zattoo». Als die Transgender-Frau das Fensehen auf den Computer brachte, hiess sie noch Beat. Zu Huonder sagt sie: «Homosexualität ist eine Prägung. Das sucht man sich nicht aus. Quasi alle Geschöpfe des Herrn weisen dokumentierte Fälle von Homosexualität auf.» Die Unternehmerin fordert: «Man muss Homosexuelle einschliessen, nicht ausgrenzen.»
Bei aller Empörung: Politische Forderungen mögen die homosexuellen Promis nicht stellen: «Ich geniesse jetzt lieber mein sündiges Leben», so Moderator Marco Fritsche.
Huonder reagierte mit einer knappen Stellungnahme. Er bedaure, wenn sein Vortrag als «Herabsetzung homosexueller Menschen verstanden wurde» und beteuert: «So war es nicht gemeint.»
Wer sich selbst ein Bild machen will, kann den Vortrag hier nachlesen.