Der Fahrausweis ist für junge Menschen das Billett in die Freiheit. Doch die praktische Prüfung ist ein Stressfaktor. Jedes Jahr fallen zahlreiche Menschen durch die Prüfung. Pech hat, wer eine besonders strenge Prüferin erhält. Andere drücken auch mal ein Auge zu. Umso verlockender wohl die Vorstellung, dem Glück etwas nachzuhelfen. Genau das soll im Strassenverkehrsamt Bassersdorf ZH möglich gewesen sein.
Laut der «NZZ» soll die Zürcher Prüfstelle Teil einer mutmasslichen Bestechungsaffäre sein. Drei ehemalige Mitarbeiter stehen im Zentrum der Ermittlungen. Im November 2021 wurde allen dreien fristlos gekündigt.
Das Strassenverkehrsamt stellte Unregelmässigkeiten fest und reichte Strafanzeige gegen die drei Ex-Mitarbeiter ein. Die Vorwürfe: Bestechlichkeit und weitere Tatbestände. Unter den Verdächtigen sind ein Verkehrsexperte, der Leiter der Abteilung Zulassungen und ein weiterer Angestellter bei den Zulassungen. Der Fall zweier mittlerweile verurteilter Brüder zeigt, wie die Bestechungsaktionen an der Zürcher Prüfstelle womöglich über den Tisch gingen.
Verkehrsexperte drückte Auge zu
Anfang Oktober 2020 nahm ein Syrer Kontakt zu einem Mittelsmann auf. Der junge Mann war zu diesem Zeitpunkt bereits dreimal durch die Fahrprüfung gefallen und wollte endlich den Führerschein. Jede Prüfung kostete ihn immerhin erneut 134 Franken.
Der Syrer beschloss, finanziell nachzuhelfen. 2000 Franken in bar soll er bezahlt haben – dafür wurde ihm ein wohlwollender Verkehrsexperte versprochen. Der Deal: Sollten dem Syrer «kleine Fehler» während der Prüfung passieren, würde er für 500 Franken ein Auge zudrücken. Im Februar 2021 erhielt er endlich seinen Schein.
Sein älterer Bruder nahm sich ein Beispiel, zahlte 1500 Franken bar und bekam den Führerausweis. Die jungen Syrer sind geständig und wurden verurteilt. Sie kassierten eine bedingte Geldstrafe sowie eine Busse wegen Bestechung. Das Verfahren gegen die Mitarbeiter der Prüfstelle läuft noch – es gilt die Unschuldsvermutung.
Schüler mussten Kontrollfahrt wiederholen
Klar ist: Der bestechliche Verkehrsexperte konnte nicht alleine handeln. Denn um die Termine zu planen, braucht es den Zugang zum IT-System des Strassenverkehrsamts. Das System teilt ein, wann Fahrzeuge bei wem vorgeführt werden und wann Prüfungen stattfinden. Es muss also mindestens einen Zwischenmann bei den Zulassungen gegeben haben, der den bestechlichen Prüfer an den zahlenden Kunden vermittelt.
Im Dezember 2021 verschickte der Abteilungsleiter Carlo Gsell laut «Tages-Anzeiger» Briefe an Personen, die ihre Prüfung beim Strassenverkehrsamt Bassersdorf mit dem zwielichtigen Verkehrsexperten absolviert haben. «Weil der zuständige Verkehrsexperte die erwähnte Führerprüfung nicht korrekt durchgeführt hat, liegt keine rechtsgenügende Feststellung der Fahrkompetenz der betroffenen Person vor», erklärte Gsell in dem Brief. Die Fahrschüler mussten zur Kontrollfahrt mit einem anderen Experten anrücken.
Im Strassenverkehrsamt Zürich-Albisgüetli wurde im März 2022 ebenfalls ein Prüfer fristlos entlassen. Er soll den Prüfbericht des Fahrzeugs eines Freundes gefälscht haben. (jwg)