Wie alles begann, weiss niemand mehr so genau. Vielleicht war es, als Manuela Honeggers Handy klingelte und am anderen Ende eine Gewerkschafterin vom VPOD fragte: «Manuela, braucht es einen zweiten Frauenstreik?» Und Honegger, Politologin, Feministin, Mutter sagte: «Ja!»
Wie auch immer es war, klar ist: Der Frauenstreik vom nächsten Freitag kommt von links.
Wenig erstaunlich: Das politische Kampfmittel «Streik» stammt nun einmal aus dem Arsenal der Linken. Erstaunlich aber ist, welches Tempo diese Bewegung in den letzten Wochen aufgenommen hat. Die Dynamik ist so gross, dass sie jetzt auch Frauen auf die Strasse zwingt, die der politischen Mitte zuzuordnen sind.
Bürgerliche Frauen gehen auf die Strasse
Noch im April wollten die CVP- und FDP-Frauen vom 14. Juni nichts wissen. Auf den Frauenstreik angesprochen, liess sich Babette Sigg, Präsidentin der CVP-Frauen, in der «Schweiz am Wochenende» so zitieren: «Für viele bürgerliche Frauen ist dies kein gangbarer Weg, sie leben die Streik- und Demonstrationskultur nicht.» Auch die FDP-Frauen distanzierten sich. Doris Fiala sagte: «Wir identifizieren uns nicht mit den Gilets jaunes oder der Gewerkschaft Unia.» Stattdessen kündigte die FDP-Nationalrätin für August eine Reihe von Podiumsgesprächen zum Thema «Frauen für die Sicherheit, Sicherheit für die Frauen» an.
Fünf Tage vor dem Streiktermin kam die Wende: Heute Sonntag verschicken die Frauen von CVP, FDP, BDP und GLP zusammen mit dem Verband der Business and Professional Women eine Medienmitteilung. Darin ist von Alternativprogramm nichts mehr zu lesen. Die bürgerlichen Frauen gehen am 14. Juni mit auf die Strasse. Begründung: «Die Gleichstellung von Frau und Mann geht nicht nur linke Parteien und Gewerkschaften, sondern alle etwas an.» Lediglich semantisch ist noch etwas Distanz zu spüren: Die Mitte-rechts-Frauen streiken nicht, sie planen einen «Aktionstag».
Auf Startseite von Alliance F steht – nichts
Bemerkenswert ist die Mühe, die sie sich geben, ihre Wende zu kaschieren. Claudine Esseiva von den Business and Professional Women sagt zu SonntagsBlick: «Bei der Planung des 14. Juni wurden wir von den Linken überrannt.» Plötzlich sei das Logo bestimmt gewesen und auch, dass es einen Streik geben werde. «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.» Bloss: In den vergangenen 27 Jahren hat es zu diesem Termin nie wirklich grosse Aktionen gegeben. Ohne linke Feministinnen wäre der 14. Juni auch in diesem Jahr bestenfalls ein schöner Sommertag geworden.
Und noch etwas ist erstaunlich: Während kleinere Verbände wie die Landfrauen oder die Kirchenfrauen früh und vehement zum Streik aufriefen, blieb der Dachverband der Schweizer Frauenorganisationen stumm. Auf der Startseite des Internetauftritts von Alliance F, nach eigenen Angaben die politische Lobby-Organisation für die Gleichstellung von Frau und Mann, steht zum kommenden nationalen Anlass für Gleichberechtigung: nichts!
Kathrin Bertschy, Co-Präsidentin von Alliance F und GLP-Nationalrätin, liess die «NZZ am Sonntag» noch vor zwei Wochen wissen, dass sie nicht am Streik teilnehme. Als gewählte Parlamentarierin werde sie selbstverständlich im Bundeshaus Präsenz markieren. Jetzt sagt Bertschy zu SonntagsBlick: «Wir unterstützen den Frauenstreik und auch den Aktionstag.» Auf den Internetauftritt von AllianceF angesprochen, windet sie sich: Die Website sei aus Zeitgründen nicht auf dem neusten Stand.
Aufbruchstimmung statt Jubiläum
Den linken Feministinnen ist das alles wurst. Auch dass der Streik in diesem Jahr kein Jubiläum feiert. Für eine Bewegung brauche es aber keines, sondern Aufbruchstimmung, sagt Elisabeth Joris, Historikerin mit Schwerpunkt Frauengeschichte.
Eine solche Aufbruchstimmung war 1991 da - und jetzt wieder. Mehrere Faktoren spielen dabei eine Rolle. Der grosse Frauenstreik in Spanien 2018, die Erfolge des Women’s March in den USA, die MeToo-Bewegung, eine Generation junger Frauen, die sich erneut stark mit dem Feminismus auseinandersetzt, die Diskussion um Heraufsetzung des Rentenalters, um Lohngleichheit: «Da ist vieles zusammengekommen, das einen emotionalen Hintergrund geschaffen hat», sagt die Historikerin. «Viele Frauen fühlten sich angesprochen und dazugehörig.»
Die bürgerliche Kehrtwende kommt Joris bekannt vor: «Genauso war es schon 1991.» Die Mitte-rechts-Parteien waren dagegen, bis sie sahen, welche Dynamik das Ganze annimmt. Erst da spürten sie, dass sie etwas tun müssen.
Dass die bürgerlichen Frauen auf den Zug von Linken und Gewerkschaften aufspringen, freut die Frauenkollektive, an ihrer Rhetorik ändert es nichts.
Platz für Aktionstag der bürgerlichen Frauen
Salome Schaerer vom Frauenstreik-Kollektiv Zürich, das nach eigenen Angaben am Nachmittag des 14. Juni «fraulenzen und auf das Patriarchat streikmenstruieren» will, sagt: «Wenn die bürgerlichen Frauen zu einem Aktionstag aufrufen, unterwandert das den Streik keineswegs.» Vielmehr erweitere es die Möglichkeiten, teilzunehmen. Sichtbar werde, dass von bürgerlichen bis zu progressiven Frauen alle ein Zeichen setzen wollen, so Schaerer. Franzi Stier vom Basler Kollektiv betont ebenfalls, dass die Frauenstreik-Bewegung vielfältig sei und es darin selbstverständlich Platz für den Aktionstag der bürgerlichen Frauen habe.
Während die einen Medienmitteilungen schreiben, trafen sich die anderen gestern wieder in Dörfern und Städten zum Transparentemalen.
Manche sind müde von den aufreibenden Vorbereitungswochen, die hinter ihnen liegen. Von den Diskussionen mit Mitstreiterinnen und Kritikerinnen darüber, was genau am 14. Juni passieren soll.
Denn: Gleicher Meinung sind auch innerhalb der Kollektive längst nicht immer alle. Manuela Honegger, die damals den Anruf bekam, mit dem alles ins Rollen kam und die eines der Mitglieder des nationalen Streik-Komitees ist, sagt: «Jede Frau soll ihre eigenen Anliegen an den Streik bringen. Es gibt viel mehr, was uns Frauen in diesem Land eint, als was uns trennt.»
Der Frauenstreik-Tag beginnt ganz laut: In der ganzen Schweiz werden Frauen* am 14. Juni um 00.01 Uhr den Frauenstreiktag mit Pfannenkonzerten einläuten.
Um 11.00 Uhr beginnt dann die grosse Streikpause. Es werden Manifeste und Forderungen verlesen: Am Arbeitsplatz, im Quartiertreff und auf öffentlichen Plätzen, wie es auf der Homepage der Organisatorinnen des Frauenstreiks heisst. In der Mittagspause werden dann Picknicks und andere Streikessen organisiert.
Um 15.24 Uhr sollen Frauen*, die können und nicht schon den ganzen Tag gestreikt haben, spätestens ihre Arbeit niederlegen, so die Forderung des Komitees an die Frauen. Die Uhrzeit sei der symbolische Zeitpunkt, sie repräsentiere den Lohnunterschied zu Männern. «Von nun an sind wir nicht mehr bezahlt, also arbeiten wir auch nicht mehr.»
In jedem Kanton wurden eigene Frauenstreik-Kollektive gegründet, welche derzeit mit Hochdruck Aktionen und Veranstaltungen planen. In Zürich etwa findet um 17 Uhr der Höhepunkt statt: Die Demonstration durch die Stadt. Sie ist bewilligt und endet auf dem Helvetiaplatz, wo Reden, Konzerte, Aktionen stattfinden. In Bern wird der Bundesplatz das Epizentrum der Proteste sein.
Doch nicht nur am 14. Juni – bereits vorher finden in den Gemeinden und Städten diverse Veranstaltungen statt, welche die fehlende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau thematisieren. Im Wallis etwa findet schon seit letztem Dezember jeden zweiten Montag eine Diskussionsrunde statt.
Eine Übersicht über die Veranstaltungen in den Kantonen finden Interessierte hier: https://frauenstreik2019.ch/de/startseite-2/kollektive/
Der Frauenstreik-Tag beginnt ganz laut: In der ganzen Schweiz werden Frauen* am 14. Juni um 00.01 Uhr den Frauenstreiktag mit Pfannenkonzerten einläuten.
Um 11.00 Uhr beginnt dann die grosse Streikpause. Es werden Manifeste und Forderungen verlesen: Am Arbeitsplatz, im Quartiertreff und auf öffentlichen Plätzen, wie es auf der Homepage der Organisatorinnen des Frauenstreiks heisst. In der Mittagspause werden dann Picknicks und andere Streikessen organisiert.
Um 15.24 Uhr sollen Frauen*, die können und nicht schon den ganzen Tag gestreikt haben, spätestens ihre Arbeit niederlegen, so die Forderung des Komitees an die Frauen. Die Uhrzeit sei der symbolische Zeitpunkt, sie repräsentiere den Lohnunterschied zu Männern. «Von nun an sind wir nicht mehr bezahlt, also arbeiten wir auch nicht mehr.»
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