Mit entschlossenen Bewegungen hievt sie eine Kiste nach der anderen vom Transporter. Die gerade gelesenen Trauben schimmern goldgelb. «Hier, probiert mal, das sind jetzt die Chasselas», sagt Weinbäuerin Anne-Claire Schott (33).
Es ist Freitagmorgen kurz vor elf. Im kleinen Winzerdörfchen Twann am Bielersee herrscht reges Treiben – es ist «Läset-Ziit». In den Hängen über dem Dorf knien die Arbeiter seit Stunden im feuchten Gras und legen ein Bündel Trauben nach dem anderen in die Kisten neben sich – ein Lehrling, ein Kameramann, eine Yogalehrerin, Studenten und Büroangestellte, die Abwechslung suchen.
Von sechs Uhr früh bis spät in die Nacht
Währenddessen weht aus den vielen Weinkellern im Dorf der Duft gegorener Trauben durch die engen, gepflasterten Strassen. Auch Anne-Claire Schott steht jetzt in ihrem Keller.
Der Herbst ist eine intensive Zeit für die Winzerin, die hier seit 2016 über dreieinhalb Hektar Reben herrscht. Meist arbeitet sie schon um sechs Uhr im Weinkeller, nicht selten bis in die späte Nacht. Und doch: von Müdigkeit keine Spur. Schott stapelt leichthändig schwere Kisten, kontrolliert den Gärungsprozess, putzt die Traubenpresse und bespricht sich mit ihrer Mitarbeiterin, einer Önologin.
«Es geht eigentlich um den Charakter»
Schott und ihre Kollegin sind zwei von immer mehr Winzerinnen in der Schweiz. Machen Frauen den Job anders? Schott beobachtet, dass Winzerinnen häufig eine andere Herangehensweise haben. «Mehr Kopf statt Kraft», sagt sie. Aber: «Es geht eigentlich gar nicht ums Geschlecht, sondern um den Charakter.» Schott bezeichnet sich als Feministin, Klischees sollten der Vergangenheit angehören. «Auch ein Mann soll emotional sein und eine Frau klare Ansagen machen dürfen, ohne schräg angesehen zu werden!»
Ihr selbst ist es wichtig, ihren Betrieb auf eigene Art zu führen. «Ich will nicht so sein müssen wie ein Mann. Ich bin nicht auf Quantität aus, sondern will ein gutes Produkt machen, kreativ und auch mal emotional sein dürfen.» Als Chefin mache sie klare Ansagen, sagen die Mitarbeiter über sie. «Sie weiss, was sie will.»
In Winzerkreisen behandelt Schott niemand anders, nur weil sie eine Frau ist. «Wenn man als Frau einen Betrieb führt, hat man schon viel gekämpft und bewiesen. Man ist auf Augenhöhe mit den Männern.»
Schott stellt auf Biodynamik um
Und doch hat es für sie noch immer zu wenige Frauen in führenden Positionen. Immerhin: «Wenn man eine Exotin ist, ist es einfacher, auch sonst aus der Reihe zu tanzen.» Nach der Betriebsübernahme stellte sie auf biodynamischen Anbau um. Ihre Eltern seien zuerst schon ein bisschen skeptisch gewesen. «Aber für mich war schon immer klar, dass ich auf Biodynamik setzen will», sagt Schott. Sie benutzt natürliche Heilmittel, richtet sich nach dem Mondzyklus und stärkt ihre Reben lieber, statt Krankheiten zu bekämpfen.
Mittlerweile sind auch ihre Eltern begeistert, sagt sie, während sie die Hänge hinter dem Dorf hinaufsteigt, um ihre Schützlinge zu zeigen. «Meine Reben sind kerngesund. Und ich mache auch mit biodynamischem Anbau viel Ertrag.»
Anne-Claire Schott zeigt auf eine Mauer. Mit den Trauben, die von den Steinen geschützt in besonders mildem Klima wachsen, hat sie eine neue Kreation erschaffen. Eine Assemblage aus fünf verschiedenen Sorten.
«Aroma der Landschaft» nennt sie sie. «Meine Weine sind ein Abbild von mir», sagt sie, und ihre Augen glänzen jetzt im gleichen grauen Grün wie der See vor ihr.
Dann läuft sie mit schnellen Schritten zurück ins Dorf. Es gibt noch viel zu tun.
Weinliebhabern wird es schon aufgefallen sein: Immer mehr Frauen erobern die Männerbastion und werden Weinbäuerin. Am diesjährigen Fête des Vignerons gewinnt mit Corinne Buttet (56) zum ersten Mal eine Winzerin die Goldmedaille. Die Ausbildung zur Önologin steht bei Frauen hoch im Kurs. Engagierte Töchter aus Winzerdynastien übernehmen auf den Betrieben die Leitung.
Robin Haug, Geschäftsführer des Branchenverbandes Deutschschweizer Wein: «Der Frauenanteil in der Ausbildung zum Winzer stieg in den letzten zehn Jahren klar an. Entsprechend stieg auch der Anteil Frauen, die einen Betrieb aufbauen oder übernehmen.»
Das Zürcher Ausbildungszentrum Strickhof bildet Winzerinnen und Weintechnologen aus. Hier will man sich aufgrund unvollständiger Zahlen nicht auf eine Aussage zur Entwicklung festlegen, weist aber stolz darauf hin, einen Frauenanteil von bis zu einem Drittel zu haben. An der Fachhochschule Westschweiz, wo Önologie und Weinbau gelehrt werden, bestätigt man den Trend hin zu mehr Frauen.
Weinliebhabern wird es schon aufgefallen sein: Immer mehr Frauen erobern die Männerbastion und werden Weinbäuerin. Am diesjährigen Fête des Vignerons gewinnt mit Corinne Buttet (56) zum ersten Mal eine Winzerin die Goldmedaille. Die Ausbildung zur Önologin steht bei Frauen hoch im Kurs. Engagierte Töchter aus Winzerdynastien übernehmen auf den Betrieben die Leitung.
Robin Haug, Geschäftsführer des Branchenverbandes Deutschschweizer Wein: «Der Frauenanteil in der Ausbildung zum Winzer stieg in den letzten zehn Jahren klar an. Entsprechend stieg auch der Anteil Frauen, die einen Betrieb aufbauen oder übernehmen.»
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