Frauen im Berufsleben – zwei Mütter erzählen
«Als Mami wird man zum Mensch zweiter Klasse gemacht»

Noch immer werden Mütter im Berufsleben diskriminiert. Zwei Frauen erzählen von ihren Erfahrungen.
Publiziert: 01.06.2019 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:07 Uhr
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Noch immer werden Mütter im Berufsleben diskriminiert. Das hat auch Barbara Wohlfarth (35) erlebt. Sie hatte studiert und einen Job in einem renommierten Reisebüro. Dann wurde sie schwanger. Man versprach ihr eine führende Position nach dem Mutterschaftsurlaub. Doch daraus wurde nichts.
Foto: Thomas Lüthi
Dana Liechti

Eigentlich wollte Barbara Wohlfarth nie Hausfrau werden. Sie wollte Karriere machen. Und war auf gutem Weg dahin. Sie hatte studiert und einen Job in einem renommierten Reisebüro. Dann wurde sie schwanger. Kein Problem, so schien es im ersten Moment. Man versprach ihr eine führende Position nach dem Mutterschafts­urlaub. Doch daraus wurde nichts.

Obwohl sie mit einem Vollzeitpensum wiedereinstieg. Was hierzulande selten ist. Während mehr als 80 Prozent der Männer nach der Geburt ihres Kindes weiterhin Vollzeit arbeiten, sind es bei den Frauen nur 15 Prozent. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik.

Trotzdem: Ihr Einsatz hat Wohlfarth nichts gebracht. «Ich wurde bei Beförderungen immer übergangen. Stattdessen kamen Männer, die schlechter qualifiziert waren, zum Zug.» Hinzu kam das zu kleine Betreuungsangebot in ihrem Wohnort Affoltern am Albis ZH. Als ihre Tochter in die Schule kam, blieb nur der Hort. Und der hat während der Schulferien geschlossen. Die Suche nach einem flexiblen Job war erfolglos.

Bewertungen gar nicht angeschaut

Hinzu kam Wohlfarths Mutterrolle: «Bewerbungen wurden teilweise gar nicht angeschaut, weil ich Mutter bin – obwohl ich topqualifiziert bin», sagt sie. «Und bei Bewerbungsgesprächen wurde ich gefragt, ob mir das nicht zu viel werde und was ich mache, wenn das Kind krank sei. Diese Fragen würde man einem Mann nie stellen!»

Sie fand keinen passenden Job. «Weil mein Mann das Doppelte verdiente, war klar, dass ich zu Hause bleibe. Ich wurde in die Hausfrauenrolle hineingezwungen.» Denn: «In der Dienstleistungsbranche muss man fast noch zahlen, damit man arbeiten kann. Zieht man die Betreuungskosten von einem normalen Lohn ab, bleiben nur noch wenige Franken Lohn die Stunde.»

Kinder aus Lebenslauf gestrichen

Wie Wohlfarth geht es vielen Frauen. Das hat vor zwei Jahren auch eine Studie des Bundes gezeigt. Demnach nehmen Fälle, in denen Frauen nach dem Mutterschaftsurlaub die Kündigung oder eine weniger anspruchsvolle Tätigkeit erhalten, sogar zu. Auch auf den Aufruf von SonntagsBlick haben sich zig Frauen gemeldet, die Ähnliches erlebt hatten.

Eine von ihnen ist Anja ­Meier*. Sie hatte eine Kaderposition bei einer der grössten Schweizer Versicherungen inne, als sie zum zweiten Mal schwanger wurde. «Als ich meinen Chef darüber informierte, meinte er, damit hätte ich meine Kündigung unterschrieben», sagt sie.

«Während der Schwangerschaft wurde ich dann ständig schikaniert – und nach der Geburt hat er mir per SMS mitgeteilt, dass ich nicht mehr Kadermitglied bin.» Doch nicht genug. Als der Mutterschaftsurlaub zu Ende ging, drohte ihr Chef: Entweder sie unterschreibe eine Aufhebungsvereinbarung mit einem finanziellen Angebot, oder er werfe sie raus. Seither ist die 42-Jährige auf Stellensuche. Mit einer Festanstellung harzt es. 
Darum hat sie ihre beiden Kinder bewusst aus dem 
Lebenslauf gestrichen.

Lücken in der Altersvorsorge

Währenddessen macht Barbara Wohlfarth alles, um nach der Mami-Zeit Karriere machen zu können. Sie hat sich selbständig gemacht und studiert nebenbei Wirtschaftsrecht.

Manchmal macht sich Wohlfarth Sorgen um ihre Zukunft. Durch die zehn Jahre zu Hause habe sie grosse Lücken in der Altersvorsorge. Ihre Angst ist berechtigt. Zahlen des Bundesamts für Sozialversicherungen zeigen: Frauen erhalten in der Schweiz 37 Prozent weniger Rente als Männer – weil meistens sie die Haus­arbeit übernehmen.

Manchmal aber ist Wohl­farth auch einfach nur wütend. Weil sie das Gefühl hat, dreimal mehr leisten zu müssen, um dasselbe zu erreichen wie ein Mann. «Mit dem Tag, an dem man Mami wird, wird man in der Schweizer Gesellschaft zu einem Menschen zweiter Klasse degradiert.» ­Darum geht sie am Frauen­streiktag mit ihrer Mitarbeiterin auf die Strasse. «Es ist Zeit, dass sich etwas ändert.»

* Name geändert

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