Hat er, wie die «Weltwoche» vermeldet, die Eidgenossenschaft vor dem Untergang bewahrt? Sein politischer Patensohn, Verleger und Chefredaktor des Zürcher Magazins, ist fest davon überzeugt. Auf Seite eins nennt er Christoph Blocher den «Retter der Schweiz».
Wenn er das tatsächlich wäre, wenn die Schweiz ohne die helfende Hand des Populisten-Paten untergegangen wäre, was müsste daraus zwingend folgen?
Dass erstens der Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum das Ende der Schweiz bedeutet hätte.
Dass zweitens bereits eine Unterzeichnung des Rahmenabkommens mit der Europäischen Union für die Schweiz existenzbedrohend gewesen wäre.
Dass drittens die EU für die Schweiz generell eine tödliche Gefahr darstellt.
Abzuleiten wäre aus all dem auch: Länder, die der EU angehören, haben ihre Existenz, ihren Geist, ihre Seele verloren; sie sind nur mehr Schatten ihrer selbst; sie fristen ein peinlich-erbärmliches Dasein als gescheiterte Nationen. Wenn man da überhaupt noch von Nationen reden kann.
Ja, so steht es um Europa, blickt man von der geretteten Schweiz – vom Alpenkamm herab – auf die Länder ringsumher. Verachtung spiegelt sich in diesem Blick, nicht nur für Brüssel, wo die verdorbene Union ihre Machtzentrale installiert hat, Verachtung auch für die einzelnen Mitglieder, die sich der europäischen Gleichschaltung unterzogen haben, denen in der Stunde des Beitritts ein Retter fehlte, weshalb wohl neben Verachtung auch Mitleid angebracht wäre.
Also ist – beispielsweise – Dänemark ein verlorenes Land und nicht die selbstbewusste, die kämpferische Nation, deren König in der Zeit der deutschen Besetzung aus Solidarität mit den entrechteten und verfolgten Juden den Judenstern trug. EU-Dänemark: nicht die Demokratie, die ihre politische Eigenständigkeit bewundernswert lebt, sondern herabgesunken ist zum Vasallen.
Auch Schweden, der modellhafte Sozialstaat, die avantgardistisch-moderne Solidargesellschaft, hat seine Eigenständigkeit verloren, ist nur noch ein zugewandter Ort von Brüssel – ein Status minderen Rechts, wie ihn einst Biel in der Eidgenossenschaft erdulden musste.
Auch Finnland dämmert, seiner selbst unbewusst, vor sich hin: ein Land, das im Winterkrieg 1939/1940 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion erkämpfte, das für Technologie und Bildung weltweit Bewunderung geniesst, heute fremdbestimmt durch die Bürokraten der Europäischen Union.
Oder die Niederlande, global gerühmt für calvinistische Tüchtigkeit, mit der sie der Nordsee ein Drittel ihres Staatsgebietes abgetrotzt haben. Holland, das immer wieder seine Stimme für Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat erhebt – verloren, weil ebenfalls nicht gerettet vor der EU-Mitgliedschaft.
Darf auch noch die Rede sein von den baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen? Nationen, die sich klug und mächtig selbstbewusst als EU-Mitglieder der neuen Generation profilieren. Aus hochgemuter Schweizer Sicht lässt sich über sie wohl nur nachsichtig lächeln.
Das Gebaren des Alpenlandes gegenüber der Europäischen Union mit ihren 27 Mitgliedsländern ist hochfahrend. Bundespräsident Guy Parmelin formulierte jüngst: «Die EU würde sich mit der Torpedierung der Handelsbeziehungen zu einem ihrer wichtigsten Handelspartner selber schaden.» Helvetische Anmassung von höchster Stelle:
Die Europäische Union soll Vernunft annehmen!
Wie im Strassenverkehr: Wer verkehrt fährt, ist auf die Vernunft der anderen angewiesen. Wer ist hier Geisterfahrer – die Schweiz oder die 27 EU-Nationen?
In der Tat muss der geretteten Schweiz wohl schon in nächster Zeit die geschmähte EU mit europäischer Vernunft zu Hilfe eilen. Es ist zu hoffen, dass sie das tut. Und es ist auch anzunehmen. Denn irgendwie passt die widersinnige Wunderlichkeit der Alpenrepublik ja doch zur faszinierenden Vielgestalt Europas.
Die Schweiz als List der Geschichte.