Forschungsskandal am Unispital Zürich
Mediziner macht Karriere – trotz Rauswurf und Pfuscharbeit

Johannes Haybäck trickste bei Studien im Labor von Starforscher Adriano Aguzzi, in Deutschland wurde er wegen des Vorwurfs von Fehldiagnosen fristlos entlassen. Jetzt hat der Österreicher einen neuen Topjob in der Schweiz: beim Gesundheitspartner des FC St. Gallen.
Publiziert: 27.10.2024 um 15:50 Uhr
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Sommer 2023: FCSG-Präsident Matthias Hüppi (r.) und Alain M. Cahen, CEO Labor Team, verkünden die medizinische Partnerschaft.
Foto: FCSG

Auf einen Blick

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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Im Sommer 2023 präsentierte Matthias Hüppi (66), Präsident des FC St. Gallen, die Firma Labor Team als neuen «Medical and Health Partner». Das Unternehmen aus Goldach SG, eines der führenden medizinischen Labors in der Schweiz, soll dem Traditionsklub helfen, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Spieler zu verbessern.

Wenige Monate später tätigte Labor Team selbst einen wichtigen Transfer: «Prof. Dr. Dr. Johannes Haybäck hat die Leitung unseres Pathologie-Teams übernommen», verkündete die Firma, die 400 Mitarbeitende zählt, im Januar 2024. In der Medienmitteilung wurde der Neuzugang in höchsten Tönen gelobt: «Prof. Dr. Dr. Johannes Haybäck bringt eine beeindruckende berufliche Laufbahn und Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Pathologie und Molekularbiologie mit.»

An der Universität Zürich, wo Haybäck 2010 seinen Doktortitel erhielt, ist der 47-jährige Österreicher weniger positiv in Erinnerung geblieben. Starforscher Adriano Aguzzi (63), der wegen gefälschter Tierversuche in seinem Labor unter Druck geraten ist, soll über seinen einstigen Zögling kein gutes Wort verlieren.

Der Grund: Vor wenigen Wochen musste der preisgekrönte Biomediziner eine Forschungsarbeit zurückziehen, die er 2011 gemeinsam mit Haybäck publiziert hatte.

Mäusegehirne mehrfach verwendet

In der Studie «Aerosols transmit prions to immunocompetent and immunodeficient mice» («Aerosole übertragen Prionen auf immunkompetente und immundefiziente Mäuse»), für die Haybäck als Erstautor die Hauptverantwortung trug, wurden mehrere Mikroskopaufnahmen von Mäusegehirnen mehrfach gezeigt – allerdings bewusst gedreht und mit verändertem Bildausschnitt.

Bereits 2013 waren erste Zweifel an der Publikation aufgetaucht. 2016 rangen sich die Verantwortlichen zu einer Korrektur durch, verteidigten die Arbeit als Ganzes aber vehement. Aguzzi liess sich in einem Onlinekommentar zu folgender Aussage hinreissen: «The Haybäck paper is one of those that I am proudest of.» («Das Haybäck-Paper ist eine der Publikationen, auf die ich am stolzesten bin.») Im Juli 2024 wurde die Studie schliesslich still und leise zurückgezogen, nachdem weitere Bildmanipulationen ans Licht gekommen waren.

Haybäck äussert über seinen Anwalt Bedauern über die «Fehler bei der Bildverwendung». Von böser Absicht will er aber nichts wissen. In einer schriftlichen Stellungnahme hält er fest, dass die Fehler «aus Versehen» passiert seien. 

Die Nachfrage von Blick, wie man in einer wissenschaftlichen Arbeit unbewusst und ohne böse Absicht Bilder mehrfach verwenden könne – noch dazu manuell gedreht und mit verändertem Bildausschnitt – liess der Mediziner jedoch unbeantwortet.

Mutmassliche Fehldiagnosen

Offen bleibt auch die Frage, wieso es Aguzzi und die Uni Zürich trotz Hinweisen nicht geschafft haben, Haybäcks Forschungspfusch schon vor Jahren aufzudecken. Hätten sie das Ganze frühzeitig entdeckt und aufgearbeitet, wäre Haybäcks Ruf bereits 2013 angekratzt gewesen – und Schlimmeres hätte vielleicht verhindert werden können: mutmasslich Hunderte Fehldiagnosen am Uniklinikum Magdeburg in Deutschland.

Die Gesundheitseinrichtung ernannte Haybäck 2016, im Alter von 39 Jahren, zum Leiter des Instituts für Pathologie. Anfang 2020 wurde er jedoch fristlos entlassen. Der Vorwurf des Uniklinikums: Unter Haybäcks Leitung seien mindestens 632 Fehldiagnosen festgestellt worden. In 26 Fällen erstattete das Uniklinikum Strafanzeige, weil angeblich Patienten zu Schaden gekommen seien.

Haybäcks Karriere schadeten die heftigen Vorwürfe nicht: An der Medizinischen Universität Innsbruck durfte er seine Forschungsprofessur, die er seit 2018 innehatte, trotz der Vorkommnisse in Magdeburg bis 2023 behalten. An der Medizinischen Universität Graz ist er bis heute tätig. Und dank Labor Team hat der umstrittene Pathologe nun einen Topjob in der Schweiz.

«Vorwürfe unbegründet»

Die früheren und aktuellen Arbeitgeber teilen auf Anfrage mit, dass ihnen die Vergangenheit Haybäcks bekannt sei. Sie verteidigen dessen Anstellung damit, dass die Staatsanwaltschaft Magdeburg die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung 2022 mangels Tatverdacht eingestellt habe.

Haybäcks Anwalt verweist ebenfalls auf die Beendigung des Ermittlungsverfahrens «mangels Tatverdacht» und «nach sehr ausführlichen und sorgfältigen Untersuchungen». Diese Entscheidung sei von jedermann zu respektieren und bedürfe keiner weiteren Erläuterungen.

Zudem betont der Rechtsvertreter, dass gegen seinen Mandanten «nie irgendwelche zivilrechtlichen Ansprüche wegen angeblicher Fehldiagnosen» erhoben worden waren. Schliesslich hält er fest: «Die damaligen Vorwürfe waren unbegründet und sind vom Tisch.»

Bemerkenswert: Die Staatsanwaltschaft begründete die Einstellung der Verfahren damit, dass in den fraglichen Fällen die Todesursache nicht mehr festgestellt werden konnte. «Insbesondere haben keine rechtsmedizinischen Untersuchungen stattgefunden», zitierte die Tageszeitung «Volksstimme» damals einen Gerichtssprecher.

Zum Vorwurf, wonach es unter der Leitung von Haybäck zu Hunderten Fehldiagnosen gekommen sei, äusserte sich die Staatsanwaltschaft nicht. Das Uniklinikum Magdeburg sagt dazu: «Im Ermittlungsverfahren gegen Herrn Professor Haybäck wurden die Vorwürfe durch die Staatsanwaltschaft weder bestätigt noch verneint.»

Einblick in Dokumente verwehrt

Blick wollte von Haybäck wissen, wieso er sich nie juristisch gegen den rufschädigenden Vorwurf der Fehldiagnosen gewehrt habe, wenn dieser angeblich unbegründet gewesen sei. Doch leider blieb auch diese Frage unbeantwortet. Ein Einblick in die vollständige Einstellungsverfügung, die nur Haybäck herausgeben kann, blieb der Redaktion ebenfalls verwehrt.

Seinen neuen Arbeitgeber Labor Team hat Haybäck dennoch von seinen Vorzügen überzeugt: «Prof. Haybäck hat uns glaubhaft versichert, dass die Vorwürfe aus der Zeit in Magdeburg unbegründet waren und erledigt sind», hält eine Sprecherin fest. Ähnliches gelte betreffend der zurückgezogenen Publikation aus der Zeit am Unispital Zürich: «Hier hat uns Herr Haybäck versichert, dass diese nach Feststellung des Fehlers korrigiert bzw. zurückgezogen worden ist.»

Bleibt zu hoffen, dass sich Haybäck für den FCSG-Partner in einigen Jahren nicht doch noch als Fehltransfer entpuppt.

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