«Je weniger Reflexion, desto besser ist der Sex», sagt Sex-Therapeut Christoph Joseph Ahler (47) – und bestätigt damit das Klischee, wonach dumme Menschen besseren Sex haben.
Dass ein grosser Penis für guten Sex steht, sei hingegen tatsächlich nicht mehr als ein Vorurteil. Aus organischen Gründen spräche nichts für ein besonders grosses bestes Stück, erklärt der Sexualwissenschaftler im Gespräch mit der «Welt am Sonntag»: «So gut wie jeder Penis kann in so gut wie jeder Scheide eine ausreichende Stimulation bewirken.»
«99,9 Prozent aller Penisse kommen da hin»
Die Stimulation finde bei der Frau an den Klitorialschenkeln statt, also auf den zehn Zentimetern im Scheideneingang: «99,9 Prozent aller Penisse kommen da hin.»
Alles andere seien infantil-regressive Fantasien, die auf das dritte und vierte Lebensjahr zurückgehen würden: «Da finden Mädchen drei Puppen schöner als eine und Jungs ein langes Schwert besser als ein kurzes.»
Der Sex-Experte ist davon überzeugt, dass der Mensch in allem was er tut - beruflich und sozial - danach strebt, angenommen zu werden: «Und die intimste Form danach zu streben, ist Sex.»
«Lust ist kein Grund für Paarbildung»
Nicht Lust sei der Grund dafür, warum Menschen Paare bilden, sondern ihr Bedürfnis nach Angenommenheit und Zugehörigkeit: «Die Lust können wir uns schliesslich selber machen.»
Unglückliche Paare hätten oft nicht nur ein Problem mit der Lust, sondern mit der Kommunikation: «Und das äussert sich am empfindlichsten und schmerzlichsten in ihrer Sexualität.»
Zu Missverständnissen komme es nicht zuletzt bei der Annäherung. Ahlers: «Der Mann drängt. Er sagt: Ich brauch das, ich habe dicke Eier. Bei der Frau kommt an: Der hat Druck. Was hat das mit mir zu tun? Sie fühlt sich benutzt und erwidert: ich hab keinen Bock.»
«Nicht nur abspritzen»
Statt «Ich will Sex» würde der Mann besser «Du fehlst mir» oder «Ich vermisse Deine Nähe» sagen. Gelinge dies, gehe bei der Frau der Radar an und sie habe das Gefühl, dass ihr Partner «nicht nur in ihr abspritzen, sondern mit ihr zusammen etwas erleben will».
Selbstentwertung wirke störend auf die Erregbarkeit, sagt Ahlers weiters: «Früher hat Nacktheit Scham ausgelöst. Heute ist es die Frage, ob ich nackt sexy genug bin. Ob mein Penis lang und mein Busen gross genug ist. Dabei geht es also erst mal nicht um Erregung. Es geht um Entängstigung.» Wenn dies einmal klar sei, gelinge auch eine Befreiung von Selbstwertbelastung und damit auch wieder Annäherung.
Ausziehen aber nicht berühren
Seine Kundschaft regt der Therapeut dann durchaus auch einmal dazu an, sich einmal voreinander auszuziehen und zwar zwingend ohne Körperkontakt. Die distanzierte Betrachtung des anderen sei nämlich schwer auszuhalten: «Es hagelt Bewertungen. Und zwar Selbstbewertungen. Wie wirke ich? Bin ich noch sexy?»
Die Umarmung sei dann wie eine Flucht, um das Beklommenheitsgefühl zu überwinden: «Meist beginnen Menschen dann rasch mit der Stimulation. Auf diese Weise kann die Intimität auch quasi wegstimuliert werden.» Auch Prostituierte, würden so vorgehen: «Sie vermeiden Intimität durch gezielte, genitale Stimulation zur Orgasmusproduktion.» (ant)