Seit 2011 lebte Hawezy Shaho (34) in der Schweiz, vor einem Monat wurde er ausgeschafft. Zwangsweise – weil er trotz Ablehnung seines Asylgesuchs nicht gehen wollte. Dabei kam es zur Gewalt, wie Shaho betont. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die zuständigen Beamten.
Gegenüber den Behörden hatte er immer wieder betont, dass er sich lieber das Leben nehme, als in den Irak zurückzukehren. Als die Polizei ihn tatsächlich an den Flughafen transportierte, wollte er in seiner Verzweiflung den Kopf gegen die Wand schlagen. «Da haben mich mehrere Polizisten an den Boden gedrückt und mich gefesselt, an den Armen, den Beinen, am ganzen Körper», sagt Shaho am Telefon. Sie hätten ihn mit Gurten in einen Rollstuhl gezwungen, seinen Kopf befestigt und ihn so ins Flugzeug geschafft.
Während des Flugs habe man ihn weiter misshandelt. Zudem habe er weder Essen noch Wasser bekommen. Und das alles nur durch einen Vorhang von etlichen Flugpassagieren getrennt – Shaho wurde mit einem Linienflug ausgeschafft. «Das Schlimmste war, dass ich geschrien und die Menschen um Hilfe gebeten habe, aber niemand hat etwas gemacht.»
«Ich konnte kaum noch atmen und weinte»
Stattdessen hielten ihm die Polizisten den Mund zu. «Einer hat mich mit dem Ellbogen gewürgt und mir den Kopf runtergedrückt. Und sie haben mir auf die Augen geschlagen. Ich konnte kaum noch atmen und weinte.» Mit auf dem Flug war ein Rückkehrspezialist des Staatssekretariats für Migration (SEM). «Er war der Schlimmste», sagt Shaho. «Er hat mich zwar nicht angefasst, aber den anderen gesagt, sie sollen mich noch fester anbinden.»
Bilder, die SonntagsBlick vorliegen, zeigen Spuren von Fesseln an Shahos Armen und rote Flecken an seinem Hals. Shaho: «Spuren ihrer Gewalt.» Gleich nach der Landung habe er bei der dortigen Polizei Beschwerde eingelegt und sich ärztlich untersuchen lassen. Das Gutachten des Arztes bestätigt seine Verletzungen. Die Dokumente liegen SonntagsBlick vor.
Bei der Menschenrechtsgruppe Augenauf hält man dies nicht für einen Einzelfall. «Wir hören immer wieder von solch brutalen Ausschaffungen.»
Nachfrage beim SEM. Zum konkreten Fall dürfe man keine Auskunft geben, weise aber darauf hin, «dass die Anwendung von Zwangsmitteln immer im gesetzlichen Rahmen erfolgt und jederzeit verhältnismässig ist». Die Polizeibeamten seien speziell geschult.
Bei Sonderflügen werden Beamte von Aufsehern der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter begleitet. In einem aktuellen Bericht empfiehlt die Kommission, Betroffene nur zu fesseln, wenn diese sich selbst oder andere gefährden. Auf den Einsatz von Rollstühlen sei zu verzichten.
War die Zwangsausschaffung überhaupt rechtens?
Doch Shaho wurde nicht mit einem Sonderflug ausgeschafft. Ob ein Aufseher der Kommission dabei war, ist unklar. Menschen, die ihn kennen, zweifeln sogar an der Rechtmässigkeit von Shahos Zwangsausschaffung – die Schweiz habe kein Rückübernahmeabkommen mit dem Irak. «Die Zentralregierung in Bagdad stimmt zwangsweise begleiteten Rückführungen ausschliesslich zu, sofern die betroffene Person in der Schweiz in erheblichem Masse straffällig geworden ist», schreibt das SEM.
Laut Gabriela Hauser trifft dies im Fall von Hawezy Shaho aber nicht zu. Die Inhaberin einer Coaching-Agentur kennt ihn seit Jahren durch ihre Arbeit für das Solidaritätsnetz Ostschweiz. «Er ist nicht kriminell», sagt sie. «Er ist zwei Mal zu schnell gefahren und wurde erwischt, als er unerlaubt arbeitete, aber ein Gewaltdelikt hat er nie verübt!»
Shaho klingt am Telefon müde. Er hat noch immer Schmerzen. Momentan versucht er, sich in Bagdad durchzuschlagen. Er steht in Kontakt mit einem Anwalt, der prüft, ob man rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen einleiten könne.