Föderalismus in Corona-Zeiten
So wurstelt jeder Kanton mit den Veranstaltungen

Der Bund liess den Kantonen viel Spielraum, die amten nun nach belieben. Politiker und Künstler nerven sich. Die Reaktionen auf die Annulation von Grossevents fielen laut Ticketcorner «überrachend relaxt» aus.
Publiziert: 01.03.2020 um 11:08 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2020 um 09:42 Uhr
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Opernball: Das Zürcher Opernhaus macht weiter, der Opernball fällt aus.
Foto: Valeriano Di Domenico
Dominik Hug, Tobias Marti, Danny Schlumpf

Autosalon, Fasnacht, Skimarathon – keine Frage: Grossevents mit mehr als 1000 Teilnehmern hat der Bundesrat bis zum 15. März verboten. «Die Kantone wollen, dass landesweit kohärente Massnahmen ergriffen werden», so Heidi Hanselmann, St. Galler Regierungsrätin und Präsidentin der Gesundheitsdirektorenkonferenz.

Offiziell gehen die Kantone auch einheitlich vor. In der Realität jedoch handeln sie alles andere als kohärent. Es lebe der Kantönligeist!

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In Zürich, Schwyz und dem Wallis etwa bleiben Anlässe mit weniger als 1000 Besuchern ohne Auflagen erlaubt. Das gibt den Veranstaltern Spielraum. Pfiffig hat etwa das Opernhaus Zürich seine Kapazität just auf 900 Plätze pro Vorstellung heruntergesetzt. Den Opernball allerdings rettet das nicht.

Bern stellt unmögliche Bedingungen

Restriktiv dagegen zeigt sich der Kanton Bern und stellt den Veranstaltern unmögliche Bedingungen. Sie sollen zum Beispiel nachweisen können, «dass keine Personen anwesend sind, die in den vorangehenden 14 Tagen aus Covid-19-betroffenen Regionen angereist sind». Zudem müssen sie die Identität aller bei der Veranstaltung Anwesenden kennen.

Kurt Fluri, Präsident des Schweizerischen Städteverbandes, bezeichnet den Corona-Wirrwarr als lächerlich: Wenn jeder einen anderen Richtwert festlege, verunsichere das und schade der Glaubwürdigkeit, sagt er. Offenbar müsse nun jeder Kanton zeigen, dass es ihn auch noch gebe.

Chur verbietet Veranstaltungen ab 50 Personen

In Solothurn, dessen Stadtpräsident er ist, habe es auch geheissen, man müsse den Wochenmarkt verbieten. Fluri: «Davor hüte ich mich – und der Städteverband wird sicher nicht auch noch Weisungen herausgeben.» Andere Städte preschen dafür bereits vor. So untersagt die Stadt Chur ab sofort Veranstaltungen ab 50 Leuten.

René Rindlisbacher (57) hat keine Lust auf Verhandlungen mit den Kantonen darüber, welche Veranstaltungslokale er zu wählen habe oder wie ­viele Zuschauer zu seinen Shows kommen dürfen. Der Komiker: «Das ist mir zu aufwendig.» Den Tourneestart hat er provisorisch vom 11. März auf Ostern verschoben: «Bis dahin ist das Gröbste hoffentlich vorbei.»

Ohne Publikum ist es sinnlos

Komiker Jonny Fischer (41) von Divertimento hat neun Shows verschoben. «Es ist blöd, dass wir kurzfristig so viele Zuschauer enttäuschen müssen», sagt er. Ärgerlich seien auch absehbare finanzielle Einbussen: «Wer für die Mieten der leerstehenden Hallen aufkommen muss, sind wir noch am Abklären.» Anders als im Sport sei es bei ihnen ja sinnlos, ohne Publikum zu spielen.

Die Reaktionen des Publikums auf Absagen von Grossveranstaltungen seien «überraschend relaxt», sagt Stefan Epli von Ticketcorner. «Die Schweizer haben Verständnis, dass Konzerte wie jene von Carlos Santana oder Peter Maffay verschoben werden.»

Es müsse aber geklärt werden, ob die Fans im Falle einer definitiven Event-Absage ihr Geld zurückbekommen. «Da sind die Veranstalter derzeit mit den Künstlern und ihrem Management in Verhandlung.»

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