Das Tessiner Grenzwachtkorps verzeichnete letzte Woche 169 irreguläre Grenzübertritte. Allein am Samstag und Sonntag hätten etwa 100 Flüchtlinge die Grenze zum Schweizer Südkanton überquert, so der Tessiner Sicherheitsdirektor Norman Gobbi. Er hält sich derzeit in Italien auf, um sich über die aktuelle Lage zu informieren.
Gemäss seinen Informationen sind in diesem Jahr bereits 50 Prozent mehr Flüchtlinge nach Italien gekommen als in der Vorjahresperiode. «Bei meinem Besuch in Rom erklärten mir Regierungsvertreter, Italien befürchte eine Verdopplung der Migrationszahlen von 2015», so Gobbi. Dies werde nicht ohne Folgen für die Schweiz bleiben. Vor allem, wenn Österreich den Brennerpass schliesst. «Weil Frankreich seine Grenze de facto schon dicht gemacht hat, ist die Schweiz dann das einzige Tor nach Nordeuropa», sagt Gobbi.
Lob für Parmelin
Das Tessin bereitet sich auf die kommenden Monate so gut als möglich vor. Und hofft auf Unterstützung durch den Bund. Gobbis Lob findet vor allem sein Parteikollege Guy Parmelin. «Ich bin Bundesrat Parmelin sehr dankbar, dass er bereit ist, die Grenzregionen mit der Armee zu unterstützen», sagt Gobbi, der seit letztem Herbst nicht nur der Lega, sondern auch der SVP angehört.
Damit spricht Gobbi Parmelins Entscheid an, die Armee bei einem Flüchtlingsansturm an der Südgrenze einzusetzen. Deswegen werden vier WKs in den Hoch- und Spätsommer verschoben. In jener Zeit rechnet man mit dem grössten Anstieg von Asylsuchenden.
2000 Soldaten müssen Ferien verschieben
Für 2000 WK-Soldaten heisst es jetzt: Ferien verschieben, Arbeitgeber informieren, sich auf eine komplett neue Lage einstellen. Betroffen sind die Grenadiere und Pänzeler des Panzerbataillons 18 aus der Romandie, das Militärpolizeibataillon 1, das sich von allen Truppengattungen am besten mit grenzpolizeilichen Aufgaben auskennt, das Ostschweizer Panzersappeurbataillon 11 und das Katastrophenhilfebataillon 2, das Zeltlager aus dem Boden stampfen kann. Gross ist die Auswahl an Verbänden ohnehin nicht. Im Sommer finden in der Regel keine WKs statt.
Bisher hat die Armee allerdings erst Bereitschaft signalisiert. Sie hat noch keinen Hilfeschrei, keine Anfrage und keinen Auftrag erhalten. Weder vom Grenzwachtkorps noch vom Kanton Tessin.
Tadel für Sommaruga
Laut Gobbi sollen die Soldaten einerseits helfen, die Migranten zu betreuen. Wichtiger ist ihm jedoch der Grenzschutz: «Die Infanteriebattaillone sollten das Grenzwachtkorps unterstützen und vor allem die grüne Grenze sichern», fordert er. Er werde nochmals beantragen, die Grenze zu schliessen.
Weniger zufrieden ist Gobbi mit Justizministerin Simonetta Sommaruga. «Es wäre dringend nötig, die Empfangszentren rund um die Uhr mit Mitarbeitern des Staatssekretariats für Migration zu besetzen.» Flüchtlinge hielten sich nicht an Bürozeiten, erklärt er. Das zeige das letzte Wochenende.