Künftig sollen nicht mehr die Behörden beweisen müssen, dass der Flüchtling eine unzulässige Reise unternommen hat. Vielmehr soll der Flüchtling glaubhaft machen müssen, dass die Reise aufgrund eines Zwangs erfolgte.
Die kleine Kammer hiess eine solche Änderung des Ausländergesetzes mit 30 zu 2 Stimmen bei 11 Enthaltungen gut. Bei «wichtigen Gründen» kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Ausnahme bewilligen.
Der Bundesrat sowie eine Minderheit um Robert Cramer (Grüne/GE) wollten noch weitere Reisegründe auflisten, die nicht zu einer Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft führen. Dies lehnte der Ständerat aber wie zuvor auch seine Staatspolitische Kommission (SPK) mit 28 zu 16 Stimmen ab.
Cramer erinnerte an den humanitären Grundgedanken des Asylrechts - den Schutz von Menschen, die zu Hause an Leib und Leben bedroht sind. Die geforderten Beweise zu erbringen, könne unter Umständen sehr schwierig sein. Mit der Umkehrung der Beweislast werde der Asylgedanke mit Füssen getreten.
Die kleine Kammer will noch einen Schritt weitergehen als der Bundesrat: Nach ihrem Willen soll das SEM anerkannten Flüchtlingen verbieten können, in die Nachbarstaaten ihrer Heimatländer und in bestimmte Transitländer zu reisen. Diesen Entscheid fällte sie mit 29 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung.
Heute ist anerkannten Flüchtlingen bloss die Reise in den Heimat- oder Herkunftsstaat untersagt; ansonsten gilt für sie Reisefreiheit.
Die Verschärfungs-Klausel stammt aus der Feder der SPK. Sie soll dann zum Zuge kommen, wenn «der begründete Verdacht» besteht, dass Flüchtlinge aus einem bestimmten Herkunftsstaat das Heimreiseverbot umgehen. Einmal verfügt, würde ein solches Verbot für alle Flüchtlinge aus dem betreffenden Staat gelten.
Der Bundesrat hatte eine solche Verschärfung in Betracht gezogen, nach der Vernehmlassung aber darauf verzichtet. Er kam zum Schluss, dass sich solche Reiseverbote in der Praxis kaum durchsetzen liessen.
Zudem würde ein solches Verbot den Besuch von nahen Familienangehörigen in die Nachbarstaaten verunmöglichen, die sich dort vorübergehend oder dauerhaft aufhielten. Darauf hatten in der Vernehmlassung Flüchtlingsorganisationen hingewiesen. Sie warnten auch vor einer Pauschalbestrafung ganzer Bevölkerungsgruppen - Sommaruga sprach von «Sippenhaft».
Auch in Bezug auf die Strafverfolgung von straffällig gewordenen Ausländern und Ausländerinnen ohne gültige Aufenthaltspapiere wich der Ständerat von der Bundesratsvorlage ab. Der Bundesrat will einführen, dass die Behörden von einer teuren und langwierigen Strafverfolgung absehen können in Fällen, in denen ein Aus- oder Wegweisungsverfahren «vorgesehen oder hängig» ist.
Eine Minderheit aus FDP-, CVP- und SVP-Vertretern beantragte, diese Bestimmung ganz aus dem Ausländergesetz zu streichen. Straftaten gehörten geahndet, argumentierte sie. Der Rat folgte ihr mit 25 zu 19 Stimmen.
Für Unmut sorgte bei einer Minderheit um Peter Föhn (SVP/SZ) auch der Vorschlag des Bundesrats, anerkannten Staatenlosen analog zu anerkannten Flüchtlingen künftig zu ermöglichen, erwerbstätig zu sein - auch solchen «mit einer rechtskräftigen Landesverweisung».
«Warum sind Menschen staatenlos? Die meisten sind es, weil sie ihren Ausweis schreddern», sagte Föhn. Die Justizministerin hielt dem entgegen, Staatenlose seien keine Asylbewerber, die ihre Papiere wegwerfen. «Staatenlose haben gar keine Papiere. Wenn sie diese Personen ausschaffen wollen, dann sagen Sie mir bitte, in welchen Staat.»
Sommaruga sowie eine Mehrheit von 31 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen befürworteten einen pragmatischen Ansatz. «Am Schluss können Sie nur noch entscheiden, ob Sie ihnen Sozialhilfe geben wollen oder Sie sie arbeiten lassen wollen.» Denn am Umstand, dass sie in der Schweiz seien, lasse sich nichts ändern.
Der Rat folgte Sommaruga auch in Bezug auf Prostituierte, die bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Opfer von Straftaten werden. Sie sollen nach dem Willen des Ständerats in bestimmten Fällen die Möglichkeit erhalten, für die Dauer des Strafverfahrens eine Aufenthaltsbewilligung sowie eine Rückkehrhilfe zu beantragen. Damit würde nach der Aufhebung des Cabaret-Tänzerinnen-Statuts der Schutz von Prostituierten verstärkt.
Nun geht die Vorlage, die noch weitere Änderungen enthält, an den Nationalrat.
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